Der absolute Widerspruch in Bezug auf die Menschenrechte und die EU und europäische Länder besteht darin, dass die Europäische Union und Länder wie Deutschland für UN-Konventionen, internationale Pakte, europäische Konventionen und das Grundgesetz einerseits abgestimmt haben, diese ratifiziert haben und sich damit zur Umsetzung der Konventionen in nationales Recht verpflichtet haben. Andererseits ist die Umsetzung der Pakte und Konventionen zum einen auf rechtlicher Ebene vielfach nicht erfolgt und zum anderen wurden und werden ungenügend Maßnahmen ergriffen, um die Konventionen politisch, sozial und materiell umzusetzen. So gibt es beispielsweise in Deutschland viel zu wenig Plätze für gewalterfahrene Frauen in Frauenhäusern, die sie von MännerGewalt schützen sollen (vgl. Mihriban Özal-Colak 2023, https://doi.org/10.60049/d8189xtq ).
Besonders furchtbar ist darüber hinaus, dass europäische Gesetze und nationale Gesetzespakete bewusst, sehenden Auges UN- und EU-Konventionen, also geltende Menschenrechte, auf gravierende Weise brechen. Und dies erfolgt durch regierende Parteien in der EU und Deutschland und mit den weitergehenden Forderungen von Oppositionsparteien, wie dies Gilda Sahebi sehr genau herausgearbeitet hat socialnet Rezensionen: Wie wir uns Rassismus beibringen (https://www.socialnet.de/rezensionen/32127.php). Die breite Mehrheit der politischen Parteien praktiziert und unterstützt Menschenrechtsbrüche, obwohl sie zum Einhalten und Durchsetzen der Menschenrechte verpflichtet sind.
So ist in der Gemeinsamen Europäischen Asyl-System (GEAS; BMI – Asyl und Flüchtlingsschutz – Fakten zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) GEAS-Reform im EU-Parlament: Historischer Tiefpunkt für den Flüchtlingsschutz in Europa | PRO ASYL) (https://www.bmi.bund.de/DE/themen/migration/asyl-fluechtlingsschutz/asylsystem-geas.html) eine Maßnahme die Unterbringung der nach Asyl suchenden Menschen in Lagern an den EU-Außengrenzen.
Es gibt jedoch das Menschenrecht auf Bewegungsfreiheit innerhalb eines Landes.
Die menschenrechtlichen Rechtsquellen hat eine Schweizer Menschenrechtsorganisation zusammengefasst https://www.humanrights.ch/de/ipf/grundlagen/rechtsquellen-themen/bewegungs-niederlassungsfreiheit :
Allgemeine Erklärung der Menschenrechte
Art. 13: «(1) Jeder Mensch hat das Recht auf Freizügigkeit und freie Wahl seines Wohnsitzes innerhalb eines Staates. […]»
- Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (https://www.humanrights.ch/de/ipf/grundlagen/rechtsquellen-instrumente/aemr/)
Themenseite auf humanrights.ch
UNO Menschenrechtsabkommen
Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte
Art. 12: «(1) Jedermann, der sich rechtmässig im Hoheitsgebiet eines Staates aufhält, hat das Recht, sich dort frei zu bewegen und seinen Wohnsitz frei zu wählen. […]»
- Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte (https://www.humanrights.ch/de/ipf/grundlagen/rechtsquellen-instrumente/uno/pakt-ii/)
Themenseite auf humanrights.ch
UN-Antirassismuskonvention
- 5 des Internationalen Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (https://www.humanrights.ch/de/ipf/grundlagen/rechtsquellen-instrumente/uno/cerd/)
UN-Behindertenrechtskonvention
- 20 der Konvention zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen (https://www.humanrights.ch/de/ipf/grundlagen/rechtsquellen-instrumente/uno/crpd/)
Europäische Menschenrechtsabkommen
Viertes Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention EMRK
Art. 2: «(1) Jede Person, die sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Staates aufhält, hat das Recht, sich dort frei zu bewegen und ihren Wohnsitz frei zu wählen.
(2) Jeder Person steht es frei, jedes Land, einschließlich des eigenen, zu verlassen.»
- Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention EMRK (https://www.humanrights.ch/de/ipf/grundlagen/rechtsquellen-instrumente/europarat/emrk/viertes-zusatzprotokoll-emrk) (von der Schweiz nicht ratifiziert)“ Themenseite auf humanrights.ch
Zudem gibt es in der UN-Kinderrechtskonvention das Recht auf Mitbestimmung bei allen das Kind betreffenden Fragen, die Verpflichtung zum Schutz gegen Diskriminierung ausnahmslos aller Kinder, die Verpflichtung zum Schutz des Kindeswohls aller Kinder. In Deutschland finden sich entsprechende Paragrafen gleichen Inhalts im Achten Sozialgesetzbuch SGB VIII.
Laut GEAS sollen und dürfen auch in den Lagern laut GEAS untergebracht werden.
Eine Unterbringung in einem Lager ohne das Begehen eines strafrechtlichen Deliktes ist als vielfach menschenrechtswidrig in Bezug auf das Menschenrecht auf Bewegungsfreiheit einzustufen. Es ist ein Bruch geltender Konventionen.
Ein weiteres Beispiel
In Deutschland wurde 2024 im sogenannten „Sicherheitspaket“ u.a. entschieden, dass nach dem Dublin-Prinzip ausreisepflichtige Ausländer*innen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, alle finanziellen Mitteln nach 14 Tagen gestrichen werden dürfen. Sicherheitspaket.pdf (https://www.proasyl.de/wp-content/uploads/Sicherheitspaket.pdf) PRO ASYL entsetzt über Konkretisierung des Sicherheitspakets | PRO ASYL (https://www.proasyl.de/pressemitteilung/pro-asyl-entsetzt-ueber-konkretisierung-des-sicherheitspakets/)
Diese Regelung ist ein offener Verstoß gegen das Bundesverfassungsgerichtsurteil von 2012 Asyl: Bundesverfassungsgericht – Presse – Regelungen zu den Grundleistungen in Form der Geldleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz verfassungswidrig (https://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg12-056.html)
In dem höchstrichterlichen Urteil heiß es:
„1. Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG garantiert ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Die Höhe entsprechender Leistungen muss der Gesetzgeber festlegen. Sie darf nicht evident unzureichend sein und muss realitätsgerecht bestimmt werden. Dies war bereits Ausgangspunkt der Entscheidung des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts zum Arbeitslosengeld II im Februar 2010 (BVerfGE 125, 175). a) Art. 1 Abs. 1 GG begründet den Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums als Menschenrecht. Dieses Grundrecht steht deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, gleichermaßen zu.“ (vgl. ebd.)
Das Maß des menschenwürdigen Existenzminimums darf für niemanden unterschritten werden.
Zudem ist die Regelung u.a. ein Bruch des Diskriminierungsverbotes gegen Kinder, gegen Frauen und Menschen, die behindert werden (UN-Kinderrechtskonvention, UN-Frauenrechtskonvention, Istanbul-Konvention, UN-Behindertenrechtskonvention).
Das Gesetz verstößt auch gegen Gerichtsentscheidungen des Europäischen Gerichtshofes zur Versorgung von Menschen im sogenannten Dublin-Verfahren (EuGH: Ist das Ampel-Sicherheitspaket rechtswidrig? – Volksverpetzer) . (https://www.volksverpetzer.de/analyse/eugh-ampel-sicherheitspaket-rechtswidrig/)
Keine Person darf also unterhalb des als menschenwürdig anerkannten Existenzminimum versorgt werden: NIEMAND!
Die Grundgesetz-widrige Regelung der NICHT-Versorgung von Personen im „Sicherheitspaket“ ist rechtswidrig.
Menschenrechte vor Gericht
Nicht die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 sondern die Einhaltung der unterschiedlichen Konventionen der Vereinten Nationen und der Europäischen Union oder Europäischen Gemeinschaft können vor Gericht eingeklagt werden: Die UN-Kinderrechtskonvention, die UN-Frauenrechtskonvention, die UN-Behindertenrechtskonvention, das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-konvention). Zudem gibt es Strategien zur Umsetzung von Kinderrechten Kinderrechte: Was tut die EU zum Schutz der Kinder? | Themen | Europäisches Parlament. (https://www.europarl.europa.eu/topics/de/article/20231109STO09921/kinderrechte-was-tut-die-eu-zum-schutz-der-kinder)
Historisch haben Pateman und Mills die menschenrechtliche Heuchelei Europas in ihrem Buch Contract and Domination detailliert herausgearbeitet.
Der erste Schritt für die Einhaltung der UN-Konventionen und EU-Konventionen ist es, die Konventionen und Pakte zu lesen und zu kennen, um sich für die Einhaltung der konkreten Menschenrechte einsetzen zu können.
Wie diese dann eingeklagt werden können ist u.a. im Buch Recht vor Gnade Recht vor Gnade – Bedeutung von Menschenrechtsentscheidungen für eine diskriminierungskritische (Soziale) Arbeit – Nivedita Prasad, Katrin Muckenfuss, Andreas Foitzik | BELTZ (https://www.beltz.de/fachmedien/sozialpaedagogik_soziale_arbeit/produkte/details/41220-recht-vor-gnade.html) nachzulesen.
Denn der Kampf für die Einhaltung der Menschenrechte ALLER Menschen darf nicht aufhören, weil diese ständig gebrochen werden. Der Kampf muss intensiver und differenzierter und strategischer werden, um das drohende komplette Brechen des Systems der Menschenrechte für Alle und für jede*n Einzelne*n zu verhindern.
Menschenrechtsverstöße bei Abschiebungen
Claus Melter
Die Bewohnerin eines Hamburger Frauenhauses ist mit ihren beiden Kindern abgeschoben worden. Autonome Frauenhäuser sprechen von „Zäsur“. 10.11.2024 Abschiebung aus dem Frauenhaus: Schutzraum nicht mehr sicher | taz.de (https://taz.de/Abschiebung-aus-dem-Frauenhaus/!6047871/) Eine Abschiebung aus einem Frauenhaus bedeutet, dass dieser Schutzraum kein sicherer Ort mehr ist für die Bewohnerinnen und ihre Kinder, denn externe Personen und Institutionen, Polizisten, kommen in die Wohnräume und zwingen die Bewohnerinnen und ihre Kinder mitzukommen und den Ort, die Stadt und das Land zu verlassen.
Da Kinder beteiligt sind, greifen auch die Paragrafen des Achten Sozialgesetzbuches (SGB VIII – Kinder- und Jugendhilfegesetz) wie die verpflichtende Vermeidung von Benachteiligungen (Paragraf 1, Absatz 3, Satz 1), die Vermeidung von Kindeswohlgefährdung (Paragraf 8 a SGB VIII) und die Pflicht zur Ermöglichung von Mitbestimmung (Paragraf 8 a SGB VIII). Diese Rechte sind auch in der UN-Kinderrechtskonvention als Schutz aller Kinder gegen jeden Form von Diskriminierung/Benachteiligung (Artikel 2 UN-Kinderrechtskonvention/ UN-KRK) und als Schutz des Kindewohls in Artikel 3 festgeschrieben: „(1) Bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, gleich viel ob sie von öffentlichen oder privaten Einrichtungen der sozialen Fürsorge, Gerichten, Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungsorganen getroffen werden, ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist.“ (UN-KRK Artikel 3)
Auch die Pflicht zur Ermöglichung von Mitbestimmung ist in Artikel 12 festgeschrieben: „1) Die Vertragsstaaten sichern dem Kind, das fähig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden, das Recht zu, diese Meinung in allen das Kind berührenden Angelegenheiten frei zu äußern, und berücksichtigen die Meinung des Kindes angemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Reife.“ (Artikel 12 UN-KRK)
Die Abschiebung der Frau mit ihren Kindern ist zudem als Verstoß gegen die Istanbul-Konvention u.a. Artikel 2 und 3 einzuordnen: In Artikel 3 wird: Gewalt gegen Frauen „als eine Menschenrechtsverletzung und eine Form der Diskriminierung der Frau verstanden und bezeichnet alle Handlungen geschlechtsspezifischer Gewalt, die zu körperlichen, sexuellen, psychischen oder wirtschaftlichen Schäden oder Leiden bei Frauen führen oder führen können, einschließlich der Androhung solcher Handlungen, der Nötigung oder der willkürlichen Freiheitsentziehung, sei es im öffentlichen oder privaten Leben;“ (Artikel 3 Istanbul-Konvention). Die Abschiebung gegen den eigenen Willen in ein anderes Land ist zweifellos als Leiden sowie als ökonomische und psychische Schädigung anzusehen.
Bei dieser Abschiebung wurden Menschenrechte in Form von Kinderrechten und Frauenrechten massiv gebrochen und die Abschiebung ist somit rechtswidrig und die Frau und die Kinder haben Anspruch auf Entschädigung.
Literatur:
Achtes Sozialgesetzbuch SGB_8.pdf (https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_8/SGB_8.pdf)
Istanbul-Konvention: Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (https://www.bmfsfj.de/resource/blob/122280/cea0b6854c9a024c3b357dfb401f8e05/gesetz-zu-dem-uebereinkommen-zur-bekaempfung-von-gewalt-gegen-frauen-istanbul-konvention-data.pdf)
Taz (10.11.2024): Die Bewohnerin eines Hamburger Frauenhauses ist mit ihren beiden Kindern abgeschoben worden. Autonome Frauenhäuser sprechen von „Zäsur“. 10.11.2024 Abschiebung aus dem Frauenhaus: Schutzraum nicht mehr sicher | taz.de (https://taz.de/Abschiebung-aus-dem-Frauenhaus/!6047871/)
UN-Kinderrechtskonvention Konvention über die Rechte des Kindes | UNICEF (https://headless-live.unicef.de/caas/v1/media/194402/data/3828b8c72fa8129171290d21f3de9c37?_gl=1*1blpfvd*_gcl_au*NzI3OTE2NDg0LjE3MjYxMjU0MDI.*_ga*MjAxNzc4MjQyOS4xNzI2MTI1NDAw*_ga_B6TB8MESRV*MTczMTM5Nzg0Mi40LjEuMTczMTM5Nzg0Ny41NS4wLjA.*_fplc*V0JIJTJGNVhXJTJGVXV2M3NyaGFVRm1BbzJCYXhzRk1YWGpnekVWMHVBYjdFV3g3bmphMiUyQmY1JTJCeG9VZ0tTeVhocFVoNTB0S2hEVTY5bGYwbWI0dWludlJlTSUyRlNHRHM3Q0QxMFFNS1hLTHNrQlBWUVVCaE1TTlZvWWxlYWN1UjFTZyUzRCUzRA..)