- Juni 2021
Ad Servum Servorum Iustitiae et Amoris, Franciscum!
Palazzo Apostolico
00120 Città del Vaticano
Roma
Italia
Ich schreibe Ihnen, da ich zur universellen Kirche gehöre und mir Sorgen mache in Honduras, wo ich verschiedene gefährdete Gruppen begleite, die gerade wegen ihrer Kämpfe um grundlegende Lebensrechte in Gefahr sind.
Zunächst erinnere ich mich, wie Sie sich 2015 in Bolivien mit ländlichen und indigenen Bewegungen in Bolivien solidarisierten und die Bauern in ihren Rechten auf Land, Arbeit und Behausung (span. tierra, trabajo, techo, die drei T) ermutigten. Auch erinnere ich, dass Sie in der Enzyklika Laudato si die Natur, die Schöpfung, das Land, das Wasser, das gemeinsame Haus aller verteidigen. Und ebenfalls erinnere ich, wie Sie in Evangelii Gaudium das Nein zu einer Wirtschaft der Ausschließung sagen und fortfahren, dass diese Wirtschaft tötet.
Und nun passiert es mir, dass ich in Honduras einen Priester kennengelernt habe, der genau das verteidigt und aus diesem Grunde in Gefahr ist, er verteidigt sowohl die ländliche Bevölkerung in ihren Rechten auf das Leben, als auch die Natur, das gemeinsame Haus, die Bäume, das Wasser, das Land. Es ist der padre Florentino, Gemeindepfarrer im Städtchen El Triunfo (Pfarrei Nuestro Señor de Esquipulas), das im südlichen Honduras nahe der Grenze zu Nicaragua liegt. Vor einigen Jahren äußerte die ländliche Bevölkerung vieler Gemeinden, die zu seiner Pfarrei gehören, ihre Besorgnis wegen Plänen des Unternehmens Los Lirios mit Kapital aus Kanada, in ihren Ländereien Bergbau zu betreiben und Gold und Kupfer abzubauen. Der Staat Honduras gewährte (leider) dem Unternehmen die Konzession, in der Nähe der Gemeinden Gold und Kupfer auszubeuten – ohne die Bevölkerung zu konsultieren oder auch nur zu informieren, wie er es nach den im Land geltenden Gesetzen hätte tun müssen. In nahe gelegenen Gebieten gibt es bereits sehr schlechte Erfahrungen mit der Förderung von Gold und Kupfer, wo ein großer Teil des Landes vergiftet und das Wasser verschmutzt ist. Diese Menschen leben vom Land, vom Wasser, von den Pflanzen und Tieren. Der padre hat sich mit ihnen in der Verteidigung des Lebens solidarisiert. Was die Gefahr vergrößert, sind Pläne, das Land zu privatisieren und sogenannte Modellstädte zu errichten, die “Zonen der Arbeit und wirtschaftlichen Entwicklung” (span. “zonas de empleo y desarrollo económico”, ZEDEs), was darauf hinauslaufen würde, ganze Ländereien einer Art privaten Regierung außerhalb der Gesetze des Landes zu unterwerfen und dies in der Logik einer ausschließenden Wirtschaft zu praktizieren mit dem Ziel, das Wirtschaftswachstum anzutreiben, aber auf Kosten des Lebens der Bevölkerung und des Lebens der Natur, des gemeinsamen Hauses, welches dann geplündert, missbraucht, veruntreut würde.
Es ist die Geschichte der vergangenen Jahre bis heute, dass padre Florentino die Bevölkerung der Gemeinden seiner Pfarrei in ihrem Recht auf ein würdevolles Leben und die Erhaltung des Landes, des Wassers, des natürlichen Lebens verteidigt. Dazu gehört, dass er die Menschen in ihrem Widerstand gegen die genannten Bergbauprojekte und die Privatisierung des Landes ermutigt, oder um es positiv zu formulieren, sie in der Erhaltung der Gemeingüter unterstützt. Er ist ein bescheidener Mann, und nach meinem Eindruck hat er Züge eines Propheten, denn er sagt die Wahrheit ohne Furcht. Aber ich mache mir Sorgen um sein Leben, denn er hat sicher Feinde im gegenwärtigen ökonomisch-politischen System in Honduras; in den vergangenen Jahren sind in Honduras eine Reihe von Verteidigern der Grundrechte auf das Leben, die Gemeingüter und das Land ermordet worden, wie die bekannte indigene Repräsentantin des Volkes der Lenca, Berta Cáceres vor fünf Jahren.
In den vergangenen Wochen begleitete ich padre Florentino mehrere Male bei seinen Besuchen in ländlichen Gemeinden, wo er pastorale Arbeit macht. Und dort sah ich, dass die Gemeindemitglieder ihn lieben; dies scheint mir völlig adäquat zu sein, da er ein Priester ist, der sich den Gemeinden widmet.
Dennoch gibt es ein Problem mit der Kirche. Der Bischof seiner Diözese, Guy Charbonneau, der dem Anschein nach die Aktivitäten des Bergbauunternehmens unterstützt, entließ 2018 den Pfarrer mit einem Dekret von seiner Pfarrgemeindestelle und schickte ihn zu einer anderen Pfarrei. Der padre weigerte sich aber wegzugehen. Ein paar Monate später, bereits 2019, suspendierte der Bischof ihn mit einem Dekret des Priesteramtes. Wieder erkannte der padre es nicht an, sondern setzt seinen Priesterdienst mit Liebe fort und erhält viel Dankbarkeit von den Gemeinden. Das Schwerwiegende ist, dass der Bischof keinen Grund hat, ihn zu versetzen oder des Priesteramtes zu suspendieren, da kein Delikt vorliegt!
In Verknüpfung mir dieser Suspendierung führte der Bischof in der letzten Zeit rechtliche Klagen gegen den padre, was sehr kräfteraubend sowohl für ihn als auch für die Gemeinde ist.
Aus diesen Gründen schreibe ich Ihnen mit der Hoffnung und Bitte, diese Situation sichtbarer zu machen und padre Florentino Hernández Bonilla zu unterstützen und wertzuschätzen. Zugleich wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie dem Bischof Guy Charbonneau eine correctio fraterna, brüderliche Zurechtweisung, zukommen lassen könnten, um ihm die Gelegenheit zu geben umzukehren und sein Handeln zu ändern.
In Honduras gibt es viele Orte, wo die Grundrechte der Bevölkerung auf das Leben verletzt und gefährdet werden und die lebendige Natur, wie Sie sagen würden, das gemeinsame Haus, beschädigt wird. Und in diesem Falle könnten sie sehr helfen, unser gemeinsames Haus zu erhalten und zu pflegen, wenn Sie ein Zeichen setzen.
In Christus (=die Hoffnungen aller Generationen vergegenwärtigend)
Ihr Daniel