Vielleicht haben wir eine Chance. Eine kleine, aber doch eine, die Hoffnung gibt, für ganze Gesellschaften, Länder und Regionen, Gruppen und Gemeinschaften, vor allem für jede Einzelne, für jeden Einzelnen.
Diese Chance heißt Bildung. Bildung meint dabei vieles: Lernen und Lehren, Wissen und Können. Schule. Gemeinsam mit anderen die Welt verstehen, andere Menschen verstehen, sich selbst verstehen. Die Fähigkeit, gemeinsam mit anderen diese Welt zu gestalten. Gemeinsamkeit zu finden und zu entwickeln, wo bislang Kontroverse herrschte. Bildung kann zu Frieden führen, weil Bildung ermöglicht, das Leben der Anderen als eine Möglichkeit zu erkennen, Leben zu führen.
Um diese Chance muss es gehen. In einer Welt, die von Krieg, Not, Vertreibung und Flucht, von Streit und Ausgrenzung gekennzeichnet ist. In einer Welt, die ihre Schönheit in Sprache, Gesellschaft, Kultur und Natur verliert, weil sie zerstört wird.
Um diese Chance muss es gehen in einer Welt, in der 60 Millionen Kinder keine Schule besuchen können, in der Erwachsene blind füreinander, unwissend sind, aber auch nicht fühlen, wie Lernen, Wissen, wie Denken und Fühlen zu einem guten Leben mit anderen führen können.
Deshalb muss neu über Bildung nachgedacht werden, radikaler und konsequenter, als dies bisher geschah. Die Vereinten Nationen haben das Recht auf Bildung in der Charta der Menschenrechte festgehalten und zur Verpflichtung erklärt – für die Regierungen, für die Zivilgesellschaft, für die Einzelnen. Es trifft zu, dass es nicht verwirklicht ist. Alles muss getan werden, es durchzusetzen.
Aber das reicht nicht mehr. Die Weltlage hat sich so zugespitzt, dass das Recht auf Bildung erweitert werden muss. Es könnte sein, dass Bildung zu dem Weltrecht schlechthin werden muss: Zu einem Kern des menschlichen Selbstverständnisses. Überall und zu jeder Zeit.
Darüber muss gemeinsam gesprochen werden, das muss im gemeinsamen Handeln geschehen – besonnen und auf einander hörend und zugehend.
Dazu laden wir ein – eine Initiative, die schon vielfältig getragen wird, die weltweit schon ein Echo hervorgerufen hat, gar nicht verhaltend, sondern zustimmend. Das sollte übrigens Mut machen.
Es geht um ein gemeinsames Gespräch, um einen gemeinsamen Denkprozess. An seinem Ende sollte der Versuch stehen, die Weltgemeinschaft, die Vereinten Nationen zu bewegen, das Menschenrecht auf Bildung zu erweitern. Was könnten die Themen eines solchen gemeinsamen Denkprozesses werden? Zunächst: Vorab ist nichts festgelegt. Wir können und wollen nur erste Vorschläge machen.
Vielleicht muss am Anfang eine kritische Vergewisserung darüber stehen, was Bildung gegenwärtig auszeichnet. In vielen Ländern und Gesellschaften ist sie nicht organisiert und wird vom Staat nicht einmal in einem Mindestmaß gesichert. Aber das heißt nicht, dass die Menschen nicht selbst für ihre eigene Bildung und die ihrer Kinder sorgen.
Das könnte also eine erste wichtige Information sein, die auch festzuhalten ist: Bildung findet statt, man kann und muss Menschen in ihren Anstrengungen unterstützen. In anderen Ländern wiederum lässt sich beobachten, dass und wie auch die staatlichen Bildungsanstrengungen zunehmend unter die Imperative gestellt werden, die von Unternehmen an die Bildungsinstitutionen gerichtet werden. Es ist wichtig, dass Menschen in den verschiedenen Berufen ausgebildet sind, um später in Betrieben und Unternehmen erfolgreich tätig sein zu können. Es ist aber auch wichtig, dass Bildung nicht darauf reduziert werden kann, dass Bildung sogar weiter gedacht und gefasst werden muss, um über das oben genannte Bildungsverständnis hinaus zugehen. Dabei bedarf es immer wieder eines kritischen Blicks auf die gefährdete Welt, in der Sorge um jeden einzelnen Menschen?
Und dazu gehört auch Bildung als Weltorientierung, d.h. nicht, dass wir alles wissen müssen über die Welt, was auch nicht möglich ist, aber es bedarf eines Wissens über die gegenwärtigen Geschehnisse. Es geht darum, den Freiheitsbegriff und die Freiheit, die mit der Bildung verbunden ist, in der Bildung zu fördern und herauszuarbeiten. Diese ist wichtig für ein Leben in Frieden in allen Ländern der Welt. Bildung braucht ein Wissen, dass den Krieg abwehrt und den Frieden fördert. Es geht darum, dass alle Menschen ein Recht haben, ein Leben jenseits von Krieg zu führen, denn Frieden kann gelernt werden.
Der Blick auf die Welt, auf die natürliche, die soziale und kulturelle, auf die Welt auch der Produktion von Gütern. Dürfen wir jemals die Augen verschließen? Sinnvoll scheint, das Menschenrecht auf Bildung so zu erweitern, dass es lebenslange Bildung sichert. Berufsbildung und Weiterbildung müssen möglich sein; sie sind als Recht zu fassen. Ebenso wie allen Menschen möglich sein muss, eine Sprache, ihre Sprache so zu erwerben, dass sie sich auf allen Ebenen des sozialen Lebens erfolgreich verständigen können. Bildung geht immer damit einher, die Erfahrung zu machen, mit dem eigenen Können das Leben selbst gestalten zu können und Wirkungen im nahen wie im ferneren Umfeld zu erreichen. Bildung ist mithin ein individuelles wie ein soziales Geschehen – und in beiderlei Hinsicht muss es Garantien dafür geben, sich bilden zu können.
Sind das alles vergebliche Hoffnungen? Vielleicht müssen wir uns über die unzureichenden Erwartungen verständigen aber auch darüber, wie Bildung gemäss unserer Zeit in Reflexion auf das frühere Bildungsverständnis modifiziert und weiterentwickelt werden muss. Und das kann ein schöner Verständigungsprozess für uns alle sein.
Unsere Initiative gibt dafür einen Anstoß – der Ausgang ist offen. Und doch: Vielleicht geht es um das Überleben der Menschheit: Und dafür möchten wir mitverantwortlich sein.
Projektleitung