Prof. Dr. Michael Klundt
Hochschule Magdeburg-Stendal
Deutsche Medien könnten sich fragen, wieviel „Sarrazynismus-Sloterdijkismus“ nötig ist, damit unzufriedene, leidende Menschen Parteien und Bewegungen unterstützen, die ihre Lage objektiv verschlimmern statt verbessern. Wie verblendet müssen Arbeitslose sein, dass sie Parteien wählen, deren Ziel es ist, die Reichen durch Streichung der Erbschaftssteuer noch reicher zu machen und die Armen durch Zerstörung der Arbeitslosenversicherung noch ärmer zu machen? Im Vorstand dieser Parteien sitzen Politiker, die offen fordern, Arbeitslosen das Wahlrecht abzuerkennen – und werden zu einem großen Teil von Arbeitslosen und prekär Lebenden gewählt. Dieser Sachverhalt zeigt: Prekarisierung, Verarmung, Verelendung gibt es nicht nur materiell, sondern buchstäblich auch geistig. Die Wahlergebnisse und öffentlichen Artikulationen sind auch ein Ausdruck dessen.
Auch sollten sog. Qualitätsmedien der Frage nachgehen, warum eigentlich Menschen, die seit mindestens 26 Jahren Standort-Nationalismus, Wettbewerb, Konkurrenz und Exportmacht-Chauvinismus (von deutschen Medien) gepredigt und durch reale Verhältnisse eingepaukt bekommen haben, nicht in beträchtlicher Zahl nationalistisch-rassistisch denken, nicht z.B. Flüchtlinge als Konkurrenz um Wohnungen und Arbeitsplätze wahrnehmen und ablehnen sollten? Zumindest, solange Regierende und verschiedene Ökonomen ganz offen für Einschränkungen beim Mindestlohn, für Rentenkürzungen sowie ähnliche Einschnitte „wegen der Flüchtlinge“ eintreten und stolz auf gedeckelte Haushalte unter der Prämisse schwarzer Nullen und der Schuldenbremse verweisen. Die Forderung einer „Autofahrer-Soliabgabe für Flüchtlinge“ von Bundesfinanzminister Schäuble machte noch dem letzten Rassisten klar, dass der Deutschen größtes Heiligtum, das Auto und dessen Unterhalt, von „Fremden“ gefährdet werde. Zugleich dachte und denkt Schäuble nicht im Traum daran, die Vermögensteuer wieder einzuführen, die Erbschaftssteuer und den Spitzensteuersatz anzuheben oder die ihm seit mehreren Jahren zugetragenen Informationen über Steuerhinterziehungen durch Briefkastenfirmen deutscher Banken, Millionäre und Milliardäre („Panama-Papers“ usw.) für eine halbwegs gerechte Besteuerung der Reichen in Deutschland zu nutzen und damit die notwendigen Mehrausgaben und Investitionen für Flüchtlinge und Nicht-Flüchtlinge im Wohnungs-, Arbeits-, Bildungs- und Gesundheitsbereich zu finanzieren. Hier gäbe es viel Arbeit für aufklärerischen Journalismus.