Wir leben in einer Zeit, in der ambitionierte Großmachtpolitik mit Wirtschaftskriegen, wirtschaftlichem Niedergang und sozialen Einschnitten einhergeht. Es ist eine Zeit, in der massenhaft gegen rechtsextreme Umtriebe demonstriert wird, aber die Rechtsverschiebung in der deutschen Politik ungebremst voranschreitet; eine Zeit, in der laut UN-Bericht vor unseren Augen ein Genozid an Palästinensern stattfindet (vgl. UN-Bericht: https://www.un.org/unispal/wp-content/uploads/2024/03/a-hrc-55-73-auv.pdf); in einer Zeit, in der ein Verhandlungsfrieden im Ukraine-Krieg durch EU und NATO immer noch abgelehnt wird; in einer Zeit, in der das Atomkriegsrisiko in Europa steigt und zugleich mit dem Streben nach eigenen Atomwaffen verharmlost wird, in einer Zeit, in der mit Großmanövern der NATO neue Drohkulissen gegenüber Russland aufgebaut werden.
Aus globaler Perspektive sieht der Kontext nochmal anders aus. Der ehemalige Bundeswehr- und NATO-General Harald Kujat sagt: „Wir sind im Augenblick tatsächlich auch in dieser neuen geopolitischen Weltordnung in einer neuen Phase. Es bilden sich jetzt nämlich zwei Blöcke heraus. Auf der einen Seite nach wie vor die BRICS-Staaten, aber auch diese Shanghai Cooperation [SCO] und die Aufnahme von sechs weiteren Staaten seit Anfang des Jahres, darunter Saudi-Arabien, ein bisher ganz enger Verbündeter der Vereinigten Staaten und nach meiner Kenntnis über 30 weitere Staaten, die dieser BRICS-Organisation beitreten wollen, darunter auch sehr viele südamerikanische Staaten. Wir sehen, hier bildet sich ein sehr starker Block heraus. Auf der anderen Seite versuchen die Vereinigten Staaten über die Brücke NATO, die europäischen Staaten mit in den westlichen Block gegen China einzubinden. Das heißt also, was wir hier im Augenblick sehen durch den Ukrainekrieg ist, diese Entwicklung hat eine neue Dynamik entfaltet. Der Ukrainekrieg hat dazu beigetragen, dass diese Blockbildung […] entsteht und sich verfestigt. Das ist für uns ein ganz entscheidender Punkt, denn es ist ja ein Krieg, der auf einem europäischen Territorium stattfindet. Das Risiko einer Eskalation besteht eben nicht darin, wie viele sagen, dass ein dritter Weltkrieg entsteht, sondern dass ein großer europäischer Krieg entsteht, mit dem weiteren Risiko, dass aus einem europäischen konventionellen Krieg auch ein Nuklearkrieg entstehen könnte. Das ist ein ganz entscheidender Faktor für Europa, aber eben nicht so sehr für die Vereinigten Staaten. Insofern haben wir hier durchaus völlig unterschiedliche Sicherheitsinteressen. Nur, niemand benennt sie, das ist eben unser Problem.”“ (https://www.youtube.com/watch?v=sQXbSJdH4ME). Hier ließe sich einwenden: fast niemand benennt diese Probleme. Die POLITEKNIK-Leser/innen der letzten zehn Jahre konnten dagegen vieles davon glücklicherweise erfahren.
Ansonsten hält sich der neue Kalte Krieg in all seinen Facetten an die zehn Gebote der Kriegspropaganda, welche der britische Politiker Arthur Ponsonby vor fast 100 Jahren aus der Erforschung des Ersten Weltkrieges ermitteln konnte. Sie lauten:
- Wir wollen keinen Krieg!
- Der Gegner ist allein für den Krieg verantwortlich!
- Der Führer des feindlichen Lagers ist ein Teufel!
- Wir verteidigen ein edles Ziel und keine besonderen Interessen!
- Der Feind begeht absichtlich Grausamkeiten, wenn wir Fehler machen, geschieht dies unbeabsichtigt.
- Der Feind benutzt unerlaubte Waffen.
- Wir erleiden geringe Verluste, die Verluste des Feindes sind erheblich.
- Anerkannte Kulturträger und Wissenschaftler unterstützen unser Anliegen.
- Unser Anliegen hat etwas Heiliges.
- Wer unsere Propaganda in Zweifel zieht, arbeitet für den Feind und ist damit ein Verräter.
Jetzt ließe sich trefflich darüber streiten, welches dieser zehn Gebote (noch) nicht in direkter oder indirekter Weise von Herrn Habeck und Frau Baerbock, den Herren Kiesewetter, Hofreiter, Röttgen, Frau Strack-Zimmermann und ihren medialen Begleitmaschinen Lanz, Miosga, Zamperoni und Slomka u.a. von „Radio Rheinmetall“ (ARD, ZDF, SPIEGEL, BILD usw.) vorgebracht wurde.
Irrationale Kriegshetzer verdächtigen Vernunft und Frieden
Die Militarisierung der Gesellschaft und des Denkens schreiten indessen voran. Während die Argumente der Aufrüstungs-Fanatiker an Substanz und Zuspruch verlieren, gewinnen ihre Attacken auf Andersdenkende immer aggressivere und repressivere Quantitäten und Qualitäten. Das entspricht dem Gesetz der herrschenden Interessen zugunsten des militärisch-industriellen Komplexes der Hegemonialmacht. Aus deutscher Perspektive hat der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter Ende 2023 eine klare Erklärung für die ukrainischen Witwen und Waisen, warum ihre Männer und Väter sterben müssen: Ein wichtiges Ziel im “Stellvertreterkrieg” seien Europas größte Lithium-Vorkommen im Donezk-Lugansk-Gebiet für die Energiewende. (https://www.youtube.com/watch?v=Urid8hF54_k). “Wenn Europa die Energiewende vollziehen will, braucht es eigene Lithium-Vorkommen. Die größten Lithium-Vorkommen in Europa liegen im Donezk-Lugansk-Gebiet. (…) Also wir haben hier auch ganz andere Ziele noch im Hintergrund.” (ARD Bericht aus Berlin v. 17.12.2023) Wie konnte es dazu kommen, dass uns solche Kriegsstrategen in Lebensgefahr bringen? Wie gesagt, POLITEKNIK-Leser konnten diese Entwicklung in den letzten zehn Jahren kritisch verfolgen.
Einseitige Berichterstattung in Politik und Medien
Vor etwa 10 Jahren erschien auch der 11.Menschenrechtsbericht der Bundesregierung, welcher deren Sichtweise auf die nationale und internationale Umsetzung der Menschenrechte darstellte. Darin hatte sich die damalige Bundesregierung auch mit der Menschenrechtslage in der Ukraine seit dem Staatsstreich im Februar 2014 auseinandergesetzt. Sie schreibt: »Infolge des Regierungswechsels in Kiew Ende Februar (2014; M.K.) hat sich nach dem Berichtszeitraum die Menschenrechtslage insbesondere bezüglich der Versammlungs- und Meinungsfreiheit, der Pressefreiheit und des Missbrauchs der Justiz grundlegend gebessert.« Diese Bewertung irritiert etwas. Berichte über Verfolgungen und Misshandlungen von Oppositionellen, von Kriegsdienstverweigerern, Nicht-Bandera-Verehrern, Antifaschisten, Linken, Kommunisten, die zuvor vielleicht auch auf dem Maidan gegen die alte korrupte Oligarchenherrschaft demonstrierten, aber dazu keiner antirussischer Ressentiments bedurften und die ukrainischen Nazikollaborateure beim Holocaust und anderen Genoziden während der Besatzungszeit der Nazis nicht bejubeln wollten, kamen in dem Bericht nicht vor.
Auch die leichthändige Beschreibung des Regimewechsels im Februar 2014 lässt den Beobachter mit Blick auf die ukrainische Verfassung einigermaßen erstaunt zurück. Bekanntlich erreichten die außerhalb und innerhalb des Parlamentsgebäudes von bewaffneten Herren »begleiteten« Parlamentarier nicht die verfassungsgemäß notwendige Dreiviertelmehrheit aller Abgeordneten für das Amtsenthebungsverfahren gegen den bedrohten und geflüchteten, aber nicht abgetretenen, regulären Präsidenten (vgl. Hintergrund v. 1.4.2015). Während der Sprecher der Europäischen Kommission noch am 24. Februar 2014 erklärte, die EU erkenne die Entscheidung des ukrainischen Parlaments an, Janukowitsch seines Präsidentenamtes zu entheben (keine 24 Stunden nach der Abstimmung in Kiew), kritisierte beispielsweise der ehemalige Vizepräsident der EU-Kommission, Günter Verheugen, diesen rechtsstaatlich äußerst fragwürdigen Vorgang ganz entschieden: »Ohne Not wurde die neue ukrainische Regierung nach der Entmachtung Janukowitschs sofort rückhaltlos unterstützt, obwohl diese Regierung noch nicht einmal im eigenen Land das Vertrauen der Mehrheit genießt, antirussisch ist und ihr völkisch gesinnte Kräfte angehören.« (SPIEGEL v. 19.5.2014) Und der frühere Minister Egon Bahr merkte an: »Wenn das Ganze nicht so ernst wäre, wäre es komisch. Ich weiß nicht, was die legale Basis der jetzt amtierenden Regierung in Kiew ist.« (SPIEGEL.de v. 21.11.2014)
Es ist keineswegs unerheblich, dass die Referenden zur Loslösung von der »Maidan«-Ukraine und zum Beitritt zur Russischen Föderation durch die Mehrheit der Bevölkerung auf der Krim und die Abstimmungen zur Autonomie der Lugansker und der Donezker »Volksrepubliken« genau in diese Zeit einer fragwürdigen legalen Basis der amtierenden Regierung in Kiew fallen, deren erste Maßnahme auch noch darin bestand, dem russischsprachigen Bevölkerungsteil die Sprache zu verbieten. Umso deutlicher wurde, dass im Frühjahr 2014 keine antioligarchische Revolution stattgefunden hatte, sondern allenfalls eine inneroligarchische Umgruppierung, hätte die Lage der Menschenrechte objektiver beobachtet werden müssen, als im 11. Menschenrechtsbericht der Bundesregierung (vgl. auch Amnesty International oder EU-Forderungen vom März 2015 nach unparteiischen Untersuchungen zu Gewalt und Schüssen um und auf dem Maidan in Kiew, zu den Tötungen in Odessa und Mariupol, dem Flugzeug-Abschuss usw.; vgl. Süddeutsche.de v. 26.4.2015).
In den folgenden acht Jahren führten das Kiewer Militär und extrem nationalistische sowie rechtsextreme Paramilitärs eine »Antiterroroperation« gegen die ostukrainische Bevölkerung im Donbass durch. Bei dem – gegen die Minsker Abkommen verstoßenden – Beschuss ziviler Wohngebiete mit schwerer Artillerie kamen bis Februar 2022 laut UN-Angaben über 13.000 Menschen ums Leben. Auch Ankündigungen aus Kiew, nach der „ukrainischen Rückeroberung der Krim“ erstmal hunderttausende Krimbewohner zu deportieren, haben die Begeisterung für eine Rückkehr zur Ukraine auf der Krim in Grenzen gehalten (vgl. taz v. 5.4.2023). Eine seltsame Logik, die sich jedoch auch nur dadurch umsetzen ließ, dass die große Mehrheit aller westlichen Medien und NATO-Staaten von diesem achtjährigen Krieg Kiews von 2014 bis 2022 gegen seine abtrünnige russisch-ukrainische Bevölkerung im Osten und im Süden schlicht keine Notiz nahm bzw. damit einverstanden war. Fast alle Medien, denn POLITEKNIK z.B. hat seit zehn Jahren zu diesem Thema auch kritischere Stimmen von Auernheimer, Bittner u.a. zu Wort kommen lassen, was eine herausragende Leistung ist.
„Mitten im Frieden überfällt uns der Feind“?
Im März 2021 unterzeichnete der ukrainische Präsident Selenskyj ein Dekret zur Rückeroberung der Krim. In der Folge kam es zu einem massiven ukrainischen Truppenaufmarsch im Südosten des Landes, ab dem 16. Februar 2022 registrierte die OSZE einen starken Anstieg des Artilleriebeschusses des Donbass durch die ukrainische Armee. Am 24. Februar 2022 befahl Präsident Putin der russischen Armee den völkerrechtswidrigen Einmarsch in die Ukraine.
Im Frühjahr 2022 brachte die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württembergs eine Broschüre zum Ukraine-Krieg heraus. Mit ihrem Titel »Putins Angriff auf den Frieden« machte sie leicht vergessen, dass – wie gesagt – Regionen im Donbass bereits seit acht Jahren vorzugsweise von ukrainischer Artillerie beschossen wurden. In der Karikatur auf dem Titelbild der Broschüre sagt ein russischer Soldat zu seinen Kameraden: »Sie (die Ukrainer; M.K.) sehen aus wie Menschen, aber es sind blutrünstige, hasserfüllte Monster!« Damit war die Latte für niveauvolle und der Kriegspropaganda abstinente demokratische politische Bildung ziemlich niedrig angelegt.
Kurz darauf war auch die Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) mit einer Broschüre zum Thema herausgekommen. Sie heißt: »Was geht? Krieg von Russland gegen die Ukraine«. Darin müssen alle Schüler Deutschlands lernen, dass »Russland autoritär regiert« wird, während die Ukraine eine »Demokratie« sei. Die seit 2022 verbotenen etwa 14 Parteien und die verbotenen Nichtregierungsmedien in der Ukraine werden es der Bundeszentrale sicherlich gedankt haben.
In der Chronologie der Ereignisse wird die NATO als ein Verteidigungsbündnis deklariert. Den nach 1990 wider alle Versprechungen forcierten Expansionismus der Kriegsallianz lassen die Autoren weg, die völkerrechtswidrigen Angriffskriege seit mehr als 25 Jahren ebenfalls (Hunderttausende, meist muslimische Tote zählen offenbar nicht). Dann kann man auch leichter darüber berichten, dass in Moskau nicht von »Krieg« gesprochen werden dürfe, und muss nicht erwähnen, welche hübschen Ersatzworte seit 1999 in Deutschland verordnet wurden (z. B. »humanitäre Intervention« oder die »Verteidigung der Sicherheit Deutschlands am Hindukusch«).
Auch gibt es »proeuropäische« und »prorussische« Kräfte in der Ukraine, die seit mehr als zehn Jahren miteinander ringen, so die BPB-Broschüre. Hier sollten wir nochmals stocken: »Proeuropäisch«? Europa zählt weit mehr Länder als die 27 EU-Staaten. Auf einer Weltkarte der Bundeszentrale für politische Bildung findet sich als größte Stadt Europas: Moskau (8,6 Millionen Einwohner). Und alle alten braunen und neuen olivgrünen Stalingradkämpfer müssen jetzt ganz stark sein: Der längste Fluss Europas soll laut dieser Weltkarte der BpB tatsächlich die Wolga sein (3.688 km). Wer auch immer der wohl wichtigste Bewohner des Kreml ist: Er steht morgens in Europa auf und geht abends in Europa ins Bett. Wer politische Bildung auf höchster Ebene betreibt, sollte hier genauer sein. In der momentanen Phase der extremen und gefährlichsten Feindbildkonstruktionen ist die genannte Gegenüberstellung schlicht unverantwortlich.
Dass es zwischen 2014 und 2022 die Minsker Abkommen gab, müssen die Schüler Deutschlands nach Ansicht der BPB offenbar nicht erfahren, denn die Regierung in Kiew hat ja in der gleichen Zeit ganz offen davon gesprochen, dass sie diese auch vom UN-Sicherheitsrat beschlossenen Vereinbarungen nicht einhalten werde (eine Strategie der Ukraine-Aufrüstung, die inzwischen vom ehemaligen französischen Präsidenten Hollande und von der ehemaligen Bundeskanzlerin Merkel zugegeben wurde) – mit dem Resultat des Dauerbeschusses des Donbass mit schwerer Artillerie. Das war übrigens der von der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg als »Frieden« gekennzeichnete Zustand, dem »Putins Angriff« angeblich galt (griff er ganz alleine an oder hatte er wenigstens einen Koch dabei?)
In der Ukraine gäbe es »auch Menschen, die freiwillig kämpfen«, heißt es in der BPB-Broschüre. Ein Hinweis darauf, was Deserteuren seit dem 24. Februar 2022 droht, wäre zu viel verlangt gewesen (unsere Leitmedien interessieren sich ja auch nicht dafür, kannten bislang fast nur ukrainische Heldenberichte und schweigen gerne über die mehr als 600.000 aus der Ukraine geflüchteten wehrfähigen Männer). Auch sind viele »Opfer von Kriegsverbrechen geworden«. Die mutmaßlichen Kriegsverbrechen (z. B. Butscha, Kramatorsk, Mariupol usw.) sollten in der Tat gründlich und von neutraler Seite untersucht werden.
Friedensperspektiven?
Am Ende ihrer Broschüre fragt die BPB: »Wie kann Frieden werden?« Warum sie dabei die noch im Februar 2022 vor dem Krieg von Bundeskanzler Scholz und Frankreichs Präsidenten Macron in München dem ukrainischen Präsidenten Selenskij vorgelegten Vorschläge nicht einmal nennt (Neutralität und Autonomieregelung im Osten), bleibt ihr Geheimnis. Der russische Verhandlungsvorschlag vom Dezember 2021 oder der von westlicher Seite torpedierte Istanbuler Waffenstillstands-Entwurf von März/April 2022 werden ebenfalls nicht erwähnt (vgl. https://www.nachdenkseiten.de/?p=91561).
Nun kann man hinsichtlich der Konfliktanalyse sicherlich in allen Punkten im Sinne des Beutelsbacher Konsenses unterschiedlicher, ja kontroverser Ansicht sein – was die BPB jedoch leider nicht beachtet. Deshalb verwundert es denn auch nicht, dass ganz locker über die »politischen Reaktionen auf den Krieg« berichtet wird: »Deutschland und andere Länder liefern Waffen in die Ukraine« und »Deutschland will die Bundeswehr für die Zukunft besser ausstatten«. 100 Milliarden Euro und noch mal zusätzlich zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (ca. 70 Milliarden Euro jährlich) in die Rüstung. Das Geld ist bestimmt gut angelegt und wird die Situation in Deutschlands Krankenhäusern, Kitas, Schulen, Hochschulen und auf Deutschlands Straßen und Brücken sicherlich merklich verbessern. Indessen hat die Mehrheit der Bevölkerung berechtigterweise Angst vor der Kriegsbeteiligung Deutschlands, vor Nuklearkriegsgefahren und sinkendem Lebensstandard infolge der Sanktionen.
Was also lernen Deutschlands Schülerinnen und Schüler durch die Broschüren der Zentralen für politische Bildung? Macht Euch keine Sorgen. Es ist alles in Ordnung und in den besten Händen von Leuten, die sagen: »Na klar schaden wir uns« (Habeck), wir »werden Russland ruinieren« und keine Energielieferungen mehr annehmen – »für immer« (Baerbock) oder – als einer der vier Punkte der neuen »Scholz-Doktrin« vom 8. Mai 2022 – »alle Maßnahmen müssen Russland mehr schaden als uns«.
Fazit
Auf keinen Fall dürfen sie erfahren, was die “Zeitenwenden” seit 1989 beinhalteten:
- Versprechen westlicher Außenminister gegenüber UdSSR/GUS nach 1990, dass die NATO bei Rückzug der Roten Armee nicht nach Osten nachrückt (vgl. WELT v. 18.02.2022).
- Anfragen Gorbatschows, Jelzins und Putins bis 2000, ob GUS nicht sogar NATO-Mitglied werden könne.
- Westliche (US-)-Ablehnung östlicher Annäherungsversuche zu einem gemeinsamen Sicherheitsbündnis nach NATO und Warschauer Pakt.
- NATO-Expansion entgegen aller eigenen Versprechen seit 1990er Jahren.
- Verschiebung der Grenzen Europas und Infragestellung der Nachkriegsordnung unter anderem durch den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien 1999, die Bombardierung der chinesischen Botschaft in Belgrad und die NATO-Annexion des Kosovo. Die nachfolgenden sog. Anti-Terror-Kriege der NATO haben mit ihren Millionen Toten von der „wertebasierten Weltordnung“ – falls jemals vorhanden – keinen einzigen Wert übriggelassen, höchstens den Mehrwert der Rüstungsindustrien.
Zur Vorgeschichte des Ukraine-Krieges gehört auch, dass hochrangige US-amerikanische Politiker, Militärs, Geheimdienstchefs, Wissenschaftler, Diplomaten seit den 1990er Jahren darauf hingewiesen haben, dass die Westausdehnung der NATO Europa spalten und Kriegsgefahren mit sich bringen würde – so, wie Jelzin und Gorbatschow übrigens auch (vgl. Michail Gorbatschow, in: https://www.youtube.com/watch?v=IipaGt9WmcE). Bitter, aber lehrreich für die Erforschung der Vorgeschichte des Ukraine-Krieges ist es, die alten Dokumente nochmal zu lesen (vgl. https://globalbridge.ch/die-mitverantwortung-der-usa-und-der-nato-vor-der-osterweiterung-der-nato-wurde-oefftlich-gewarnt/). Selbst der ehemalige US-Verteidigungsminister Robert S. McNamara schloss sich mit vielen anderen den Warnungen an: (https://globalbridge.ch/politisch-strategischer-fehler-von-historischem-ausmass/).
Alle “Kassandra-Rufe” wurden verdrängt – auch von den meisten heute politisch Entscheidenden, medial Berichtenden und wissenschaftlich Forschenden. Nicht jedoch in POLITEKNIK – und das ist vor allem seinem klugen und aufopferungsvollen Chefredakteur Zeynel Korkmaz zu verdanken.