Alexandre Magno Tavares da Silva
Bundesuniversität von Paraíba
Nord-Ost-Brasilien
- Forschungsproblematik
”Tinha gente que pescava o peixe, gente que plantava a verdura, gente que fiava o pano, gente que trabalhava a madeira, gente que fazia o pão, gente que tércia a rede, gente de toda espécie, e tudo requeria grande conhecimento emuitas coisas por dentro e por trás desse conhecimento – talvez fosse isto a vida”[1]
Diese kleine Passage aus dem Roman des Schriftstellers und Dichters João Ubaldo Ribeiro schildert anhand des Alltags einer Gemeinschaft von Fischern die Entfaltung von Wissen und Kenntnissen bei den Arbeitstätigkeiten.
Die Studien, die sich mit Lernprozessen außerhalb des schulischen Bereichs (wie zum Beispiel in Projektwerkstätten) beschäftigen, weisen auf die Notwendigkeit hin, die Kenntnisse der pädagogisch-erzieherischen Dimension, der Charakteristiken und der Dynamik zu erweitern, die insbesondere mit den Arbeitstätigkeiten verbunden sind.
Betrachtet man die gegenwärtigen Kontroversen unter Erziehungswissenschaftlern über die theroretisch-methodologische Krise hinsichtlich der Analysen des Verhältnisses von Bildung und Arbeit in der kapitalistischen Gesellschaft und Sozialstruktur, spürt man die Notwendigkeit einer Vertiefung der Kenntnisse über die sozialerzieherischen Dimensionen im Arbeitsprozess der minderprivilegierten Gesellschaftsschichten, darunter auch der Bildungsprojekte, denn in ihrem Rahmen gelangen einige wichtige pädagogische Prinzipien zur praktischen Anwendung. Unter diesen Prinzipien können hier genannt werden:
- Orientierung der Bildungsprinzipien an den Lebensverhältnissen und –erfahrungen;
- die Kinder und Jugendlichen sollen für einen Dialog mit dem hergestellten Gegenstand sensibilisiert werden;
- die Beteiligung der Kinder und Jugendlichen am Bildungsprozess soll gefördert werden;
- Schaffung von Möglichkeiten, die Arbeitsorganisation der Werkstätten (ihre Ziele, Inhalte und Methodologie) mit der historisch-sozialen Realität und der Lebenssituation der Kinder und Jugendlichen zu konfrontieren;
- Schaffung einer Ausbildungsstruktur, die die Lebensbedingungen der Kinder und Jugendlichen berücksichtigt.
Angesichts dieser Aspekte ergab sich als Hauptpunkt unserer Untersuchung die folgende Fragestellung:
„Welches sind die Kenntnisse und Kompetenzen, die die Kinder und Jugendlichen im Zuge ihrer aktiven Beteiligung im Alltag der Werkstätten von Bildungsprojekten entwickeln (bei der Organisation der Tätigkeiten, bei den theoretischen und praktischen Kenntnissen und bei der Beteiligung am Produkt der Arbeit), und wie werden sie von ihnen entwickelt?”
Die Resultate, zu denen wir gelangen konnten, zeigen an, dass die Kenntnisse und Kompetenzen, die von den Kindern und Jugendlichen in den Werkstätten entwickelt werden, von den Lebensbedingungen und -erfahrungen ausgehen und in den Bildungsprojekten und Werkstätten mit der Perspektive weiterentfaltet werden, bessere Bedingungen zur Bewältigung der Realtät sowie zur Selbstbestimmung der Kinder und Jugendlichen als soziale Subjekte und Protagonisten zu schaffen.
„…wir arbeiten in Kooperativen, damit wir uns so unsere Arbeit teilen und besser arbeiten können.“
„…wir organisieren uns in Gruppen, damit wir die Probleme besprechen können, die es bei unserer Arbeit gibt “„…die Probleme mit der Arbeit wollen wir zusammen besprechen, damit wir sie zusammen lösen können”
„…in unserem Leben wollen wir Schule, Freizeit, ehrliche Arbeit und Rechte, die wirklich respektiert werden “
Zwei Erfahrungsräume für die Produktion von Wissen und Kompetenzen
Wir konnten feststellen, dass die von den Kindern produzierten Kenntnisse und Kompetenzen der Ausdruck ihrer Lebenserfahrungen bei sozialpädagogischen Projekten (Nichtregierungsorganisationen) sind. Diese Erfahrungen können zwei Ebenen zugeordnet werden:
- Der Ebene der Erfahrungen der Kinder und Jugendlichen vor ihrer Mitarbeit in den Projektwerkstätten.
- Die Lebenserfahrung im Alltag der Werkstätten.
- Die Erfahrungen der Kinder und Jugendlichen vor ihrer Mitarbeit in de Projektwerkstätten
Die Erfahrungswelt der Jungen und Mädchen vor ihrer Mitarbeit in den sozialpädagogischen Projekten (Nichtregierungsorganisationen) besitzt in den Kategorien Arbeit und Schule zwei wichtige Bezugspunkte.
„… wenn man nicht arbeitet, ist man gar nichts”
Arbeiten, das bedeutet für sie: Unterstützung für die Familie zu ermöglichen, ein Mittel, um aus der Marginalisierung und Armut herauszukommen, die Möglichkeit, die Lebensbedingungen zu verbessern, ein Raum zur Entwicklung von Arbeitskompetenzen, ein „Ersatz“ für die Schulerziehung. Die Schule ihrerseits bedeutet vor allem die Möglichkeit, sich auf die Arbeitwelt vorzubereiten und/oder die Arbeitsbedingungen durch Lese- und Schreibkenntnisse zu verbessern.
Zudem ist hervorzuheben, das die Lebenserfahrung aus der Zeit vor der Beteiligung am Projekt einen bedeutenden Einfluss auf die Haltung der Jungen und Mädchen innerhalb der Aktivitäten hat, insbesondere bei der Entwicklung der Kreativität, der Kritikfähigkeit sowie bei der Art der Schwierigkeiten, denen sie in der Projektarbeit begegnen, und ihrer Vorschläge zu deren Lösung.
In einigen Fällen (vor allem bei Projekten, die von religiösen Vereinigungen geleitet werden) wird das aus diesem Erfahrungshintergrund hervorgehende Verhalten oft interpretiert als ein Affront gegenüber der Autorität des Betreuers und der pädagogischen Linie des Projekts, als ein Akt der Auflehnung und der ‚Randale‘.
- Die Lebenserfahrung im Alltag der Werkstätten
Die Rolle der Hände
Bei der Zusammenarbeit mit den Jungen und Mädchen in den Projektwerkstätten konnten wir bemerken, dass ihr Körper der lebendige Ausdruck ihrer Wünsche, Enttäuschungen, Freuden, Sehnsüchte etc. ist, die sie in Bezug auf ihre Lebenswelt haben, und dass die körperliche Dimension eine wichtige Rolle bei der Entwicklung ihres Wissens spielt.
Die Hände sind in diesem Zusammenhang als Organe anzusehen, die im Leben von Kindern und Jugendlichen in Armutsverhältnissen in vorderster Linie fungieren. „Wenn die Hand ruhig ist, ist auch das Gesicht ruhig; aber die aktive Hand, die sich bewegt und gestikuliert, ist das Produkt einer mentalen Energie, die in voller Aktion ist.“[2]
Bei dem Verhalten der Jungen und Mädchen in den Werkstätten konnten wir bei ihnen den Wunsch erkennen, etwas zu machen, das Brot, den Hocker, die Hängematte, den Besen, das Eis. Der Wunsch danach ist oft sehr stark und die Hände begleiten aufmerksam alle Etappen des Herstellungsprozesses.
Bei diesem Verlangen, etwas zu schaffen, antizipieren sie in der Vorstellung, wie die Gegenstände sein werden, wenn sie fertig sind. In der Zeit zwischen dem Anfang der Arbeit und dem Endergebnis kommen eine Reihe von Fragen auf: „Wird das Brot schmecken?“ – „Wird der Hocker so werden, dass man ihn verkaufen kann?“ – „Ob die Hängematte schön wird?“ – „Wird der Besen taugen?“ – „Wird das Eis gut werden?“
- Die Rolle der ‚Früchte unserer Arbeit‘ bei der täglichen Entwicklung unseres Wissens:
- a) Das Brot:
Unseren Kopf in Bewegung bringen
Und UNSER TÄGLICHES BROT brachte uns das NEUE auf die Ilha de Deus.
Die Jungen, Mädchen und Betreuer gingen daran, den Arbeitsraum zu organisieren, indem sie von den eigenen Bedingungen ausgingen, um Schritt für Schritt das Backen des täglichen Brotes zu lernen.
“Früher hatten wir nichts (..), wir hatten keine Anleitung von einem Bäcker oder einer Person, die sich mit der Arbeit auskannte, wir waren ganz auf uns gestellt.” (Esmeraldo).
In der Zeit, als in der Bäckerei-Werkstatt noch alle Arbeiten per Hand erledigt wurden, war Wissen und Erfahrung der verschiedensten Art gefragt, denn die Jungen und Mädchen konnten sich nur helfen, indem sie ihre eigenen Sinne gebrauchten und ihnen vertrauten (Geruch, Geschmack, Tastsinn, Gehör, Sehen).
“Um den Teig zu kneten, nahmen wir eine Schüssel, da kam die Menge Wasser rein, dann kamen die Zutaten dazu, ein bißchen Zucker, Salz, dann nahm man ein bisschen Hefe, die musste man mit der Hand brechen; in der Schüssel kam alles zusammen und wurde alles in einer Schüssel geknetet. Einer musste die Schüssel festhalten, damit der andere kneten konnte. Mit der Hand, alles mit der Hand; als der Teig aus der Schüssel kam, haben wir ihn gewogen und geschnitten und dann ein bisschen Öl auf den Tisch gemacht und jedem Kind ein Stück Teig gegeben, damit jeder ihn werfen konnte.” (Esmeraldo).
Mit dem Erwerb der Geräte zur Brotherstellung kam es zu einer Flexibilisierung im Tun der Jungen und Mädchen bei der Fähigkeit, den eigenen Körper als Instrument des Kenntniserwerbs zu benutzen. „…anstatt unseres Arms, was ist da jetzt?!…ein Arm aus Stahl der sich dreht (…), das Brot zu schneiden, früher ging das nach Gefühl (…), jetzt gibt es eine Teigschneidemaschine, der Teig kommt rein, wird ausgerollt und die Stücke kommen exakt geschnitten raus.” (Fábio).
Von der Bearbeitung des Mehls bis zum fertiggebackenen Brot wird ein Prozess durchlaufen (Organisation der Arbeitsregeln, Zubereitung des Teigs, den Teig kneten und formen, aufgehen lassen, backen, das Brot zum Verkauf fertigmachen etc.), bei dem die Jungen und Mädchen eine aktive Rolle übernehmen.
- b) Der Hocker:
Vom Hocker zum Kleiderschrank
Von den Gegenständen, die die Jungen der Gruppe im ersten Ausbildungsjahr (die wir für unsere Untersuchung ausgewählt hatten) anfertigten, haben wir versucht, denjenigen zu identifizieren, der am engsten mit der Gesamtheit der Tätigkeiten in der Schreinerei-Werkstatt verbunden war. Als solcher hat sich der Hocker herausgestellt, der dort eine wichtige Rolle spielt.[3]
Mit dem Zollstock, den Händen und dem Kopf
Nach Meinung der Kinder muss man „was drauf haben“, um Möbel machen zu lernen und damit zu arbeiten. „Was drauf haben“ bedeutet, fähig zu sein, zu improvisieren, neue Elemente zu schaffen und Probleme, die während der Herstellung eines Gegenstandes auftauchen, lösen zu können.
Durch die Tatsache, dass die Schreinerei-Werkstatt nicht nach formellen Strukturen organisiert ist, eröffnet sie vielen Kindern die Möglichkeit, an den Gegenständen die eigene Kreativität zu erfahren und zu erproben.
“… ich war zufrieden … als ob nicht ich die Sache gemacht hätte, sondern eine Maschine, so gut war es geworden! … und ich hab es angeschaut und mich gefragt: Hab ich das wirklich gemacht? Wenn man etwas selbst gemacht hat, staunt man erst mal.” (Edvaldo)
In dieser Äußerung Evaldos kommt beispielhaft das Staunen darüber zum Ausdruck, was sich durch ihr Wissen und Können konkretisiert und was sie selbst oft nicht erwartet haben. „Hab ich das wirklich gemacht?!“ Diesen Moment verstehen wir als eine Wiederentdeckung des eigenen Selbst.
- c) Die Hängematte:
Der größte Teil der Jungen und Mädchen (vor allem der Jungen), die in der Weberei-Werkstatt mitarbeiten, ging, bevor sie dorthin kamen, Arbeitstätigkeiten als Straßenverkäufer, Schuhputzer, Landarbeiter oder Haushaltshilfe nach.
Obwohl sie angeben, dass sie normalerwiese beim Arbeiten die Arbeit erlernen, sind die Jungen und Mädchen doch der Ansicht, daß die Erfahrung des Sich-Bildens bei der Arbeit im eigentlichen Sinn erst begonnen hat, als sie anfingen, an dem Bildungsprojekt teilzunehmen. Denn für sie wird in der Weberei-Werkstatt eine Arbeit in geordneter Form durchgeführt, eine Arbeit, bei der man lernt und sich wirklich bildet.
Zwar werden in der Werkstatt auch Decken, Läufer, Schuhhalter, Teppiche und anderes gewoben, doch in der Hauptsache werden dort Hängematten hergestellt.
Bei der Herstellung der Hängematten wird hauptsächlich mit der Hand gearbeitet, vom Aufspannen des Fadens über das Weben am Webstuhl bis zu den Endarbeiten, bei denen die meisten Jungen und Mädchen mitarbeiten.
Bei unserer Untersuchung haben wir uns auf die Endarbeiten beschränkt. Von diesen Arbeiten gilt die Anfertigung der Varanda, das ist der Fransen- bzw. Spitzenbesatz am Rand, als eine der schwierigsten Arbeiten: „…die Varanda macht die Schönheit der Hängematte aus und muss deshalb perfekt sein, sonst verzieht sie sich und taugt nicht mehr“. (Aldo/Betreuer).
Eine andere als schwierig angesehene Arbeit ist die Anfertigung des Punho, der Schlinge zum Aufhängen der Hängematte, denn man muss dazu rechnen können, um die Fäden richtig zu teilen. Diese Schwierigkeit führt dazu, dass einige Jungen und Mädchen, denen das Rechnen schwerfällt, die Weberei-Werkstatt verlassen.
- d) Der Besen:
In seiner typischen Form ist der Besen immer noch ein „ein Werkzeug aus Ginsterzweigen, Sorghum-Zweigen, natürlichen oder künstlichen Borsten etc. und wird hauptsächlich dazu benutzt, den Schmutz vom Boden zu kehren“.[4]
Als sozialerzieherische Tätigkeit ist die Werkstatt für Besenbinderei bestrebt, folgende Erfahrungen zu fördern:
- Entwicklung der manuellen Geschicklichkeit,
- die Erfahrung des gemeinschaftlichen Arbeitens,
- der Produktion eine soziale Funktion verleihen,
- Schaffung eines neuen kulturellen (Selbst-)Verständnisses der Kinder als Protagonisten und soziale Subjekte
Bei dem Prozess der Erzeugung von Wissen und Kompetenzen in dieser Werkstatt können wir zwei Ebenen unterscheiden:
- politisch-pädagogische Beteiligung innerhalb der Werkstatt;
- Beteiligung der Kinder an den Arbeitsvorgängen
Politisch-pädagogische Beteiligung innerhalb der Werkstatt
Dem Dialog mit den Kindern und Jugendlichen widmet die Betreuerin viel Aufmerksamkeit. Dabei geht es vor allem darum, die Lebensbedingungen und –erfahrungen als inhaltliche Elemente für den Bildungsprozess zu aktivieren.
Inmitten von Hammerschlägen, Reisig, Nägeln, Kindern, die barfuß laufen und manchmal „verklebt“ sind (vom Klebstoff, den sie für die Arbeit verwenden), bietet sich während dieser Arbeit Raum für eine Beziehung Betreuer/Kind, die das Gespräch über die Lebenserfahrungen ermöglicht (Sehnsüchte, Wünsche, Leiden, Freuden etc.) und so die Entwicklung neuer Pläne und Lebensziele anregt, bei denen die Kinder sich als Subjekt erfahren können.
Diese Dialogarbeit fördert auch ein übergreifendes Verständnis des Herstellungsprozesses, nicht bloß die Kenntnis der einzelnen Etappen, sondern vor allem ein kritisches Verständnis, das zum Nachdenken darüber anregt, wie die Arbeitsvorgänge im Einzelnen und als Gesamtprozess verbessert werden könnten.
Der enge Kontakt der Kinder bei der Zusammenkunft zur Arbeitsbesprechung (um einen Tisch herum) regt Unterhaltungen über die verschiedensten Themen an, die mit der Familie, den Erlebnissen auf der Straße oder im Haus der Gemeinschaft selbst zu tun haben.
In diesem Sinn erweist sich der Besen als Instrument für eine Bildungsarbeit, um das herum sich der Lebensalltag der Kinder gestaltet, von ihnen selbst halb ernst und halb komisch kommentiert. Dabei kommt es zu einer Aussprache der Kinder über persönliche Probleme mit dem Betreuer: durch Drogenabhängigkeit verursachte Konflikte des Kindes; seine An- und Abwesenheiten in der Werkstatt; Auflehnung, Aggressionen und Kritik; Spiele und Streitigkeiten; die manchmal fehlende Lust zu arbeiten; die Notwendigkeit, Geld zu verdienen; Fragen (der Kinder) zu den Schwierigkeiten, die sie bei der Arbeit empfinden etc.
- d) Der Picolé (Eis am Stiel):
Beim Umherlaufen durch die Straßen bietet den Kindern die scheinbar „simple“ Tätigkeit des Eisverkaufens Gelegenheiten, mit Leuten in Kontakt zu kommen und Beziehungen zu knüpfen.
„Ich habe mich dabei immer auch mit den Leuten unterhalten, banale Themen, alles Mögliche und wir waren informiert: Politik, Fußball und diese Sachen, wir haben gesehen, wie die Leute sich unterhalten haben und die Dinge mitgekriegt. Streitigkeiten, Aufregungen, wir haben den Umgang mit den Leuten gelernt durch die Unterhaltung. An jeden Ort, wo du hinkamst, gab es andere Themen.” (Nerisvaldo: ehemaliger Eisverkäufer)
Da der Eisverkauf eine Aktivität ist, die (nach Meinung der Kinder) nicht direkt auf den Arbeitsmarkt vorbereitet, waren die drei hauptsächlichen Motivationen, sich an der Eis-Werkstatt zu beteiligen, die folgenden:
- der Umstand, dass sie dabei nicht im Haus bleiben mussten (“weil es gut ist, ein paar Eis lutschen, ein bißchen mit Geld zu tun haben“);
- die Suche nach einer Beschäftigung auf der Straße, um nicht nur umherzulaufen und zu spielen (“Eis verkaufen ist besser, man lungert nicht nur auf der Straße rum“) und schließlich
- der Umstand, daß es Geld gleich auf die Hand gibt (“weil du ein bisschen was verdienst”). Trotz dieser Motivationen hat diese Tätigkeit aber auch ihre beschwerlichen Seiten.
Da sich die Tätigkeit draußen abspielt, außerhalb des Projektzentrums, bringt der Eisverkauf die Kinder fast zwingend in Kontakt zu anderen Leuten:
„…sich mit den Leuten unterhalten können, das kann nicht jeder. Kommt man an einen Ort und bleibt still, da verpasst man Vieles, Gelegenheit zu diskutieren, zu lernen, Leute kennenzulernen, und ich glaube, beim Eisverkaufen hab ich das gelernt, den Umgang, das Menschliche vielleicht“. (Nerisvaldo: ehemaliger Eisverkäufer)
„Wenn man etwas selbst gemacht hat, staunt man erst mal, oder?!: Das Wissen und die Kompetenzen der Kinder und Jugendlichen
- Die Begegnung zwischen dem Schöpfer und dem Geschaffenem
Einer der gleichsam magischen Momente, der sich bei der Bildungsarbeit in den Projektwerkstätten ereigne, ist ohne Zweifel das Staunen und die Verwunderung der Jungen und Mädchen, wenn sie dem gegenüberstehen, was sie geschaffen haben, wenn der Moment gekommen ist, wo das, was zu Anfang nur in Form von einzelnen Bestandteilen vorhanden war (eine Handvoll Weizenmehl, ein Prise Salz, ein paar Gramm Hefe, Eier, Wasser, Holzstücke, Fäden, Säfte, Nylonborsten etc.), sich in ihren Händen mit Hilfe von Werkzeugen und Geräten (Sägen, Nägel, Hämmer, Nadeln, Webstühle etc.) in etwas Geschaffenes verwandelt hat (Brote, Kekse, Tische, Stühle, Hängematten, Decken, Besen, Eis), jedes mit seinem eigenen Charakter, geprägt von seinem Schöpfer.
Diesen Moment des Gegenübertretens und Beschauens kann man als eine erinnerndeBesinnung verstehen, bei dem die Jungen und Mädchen die Gelegenheit haben, den gesamten durchlaufenen Prozess mental zu rekapitulieren, der nötig war, um bis zum fertigen Gegenstand zu gelangen: dem Brot, dem Hocker, der Hängematte, dem Besen und dem Eis. Und dabei reflektieren sie auch über das neu erworbene Wissen.
Dieses Wissen besitzt verschiedene Dimensionen, von denen wir hier die folgenden hervorheben:
- die humanitäre (seinsbejahende);
- die gemeinschaftsbildende (ausgehend von den Traditionen der kulturellen Gruppe, an der sie teilhaben);
- die bildungsbezogene (zu entdecken, dass man lernt und sich weiterbildet, um die eigenen Bedürfnisse und die seiner Gruppe zu befriedigen);
- die kulturelle (die handwerkliche Arbeit als eine kulturbildende Tätigkeit);
- die entwicklungsbezogene (die Kinder und Jugendlichen als Heranwachsende);
- die soziale (Sinn und Richtung der Anstrengungen zur Bewältigung der Marginalisierungssituation);
- die politische (die Kritik der Organisationsformen einer Arbeit, die im Modell einer Herrschaft über den Arbeitsprozess betrieben wird).
Die Wissensdimensionen, die wir festgestellt haben, werden durch Beteiligung auf drei Ebenen gefördert:
- die Kinder und Jugendlichen sollen bei der Organisation der Arbeitsaktivitäten mitarbeiten;
- die Kinder und Jugendlichen sollen teilhaben an den Kenntnissen, die sich auf die jeweilige Tätigkeit und auf die Arbeitswelt als Ganzes beziehen;
- die Kinder und Jugendlichen sollen in irgendeiner Form am Produkt ihrer Arbeit beteiligt sein;
Bei den verschiedenen Formen, in denen sie innerhalb der Bildungsprojekte und Projektwerkstätten interagieren, überraschen sie oft die Betreuer durch das, was sie wissen und können, und helfen den Betreuern so, durch die Entdeckung dieses Wissen und dieser Kompetenzen, die Jungen und Mädchen in einer neuen Weise wahrzunehmen, nämlich als Begleiter und Freunde auf einem gemeinsamen Weg, bei dem wir versuchen zu verstehen, was sich im Kern und im Hintergrund der ‚Schule des Lebens‘ bewegt.
„Die Kinder hier sind sehr aktiv, sie tun immer etwas, immer sind sie dabei etwas zu erkunden, zu lernen, und in der Schule ist das sehr schlecht für sie, weil die Lehrer wollen, dass sie da auf dem Platz bleiben, wo der Lehrer es will, und ich glaube, wenn sie das, was die Kinder wissen, im Unterricht nutzen würden, würde es viel mehr bringen.“ (Verônica – educadora da Escola Saber Viver)
[1] RIBEIRO, Viva o Povo Brasileiro. „Es gab Leute, die die Fische fingen, Leute die das Gemüse pflanzten, Leute, die die Tücher webten, Leute, die das Holz bearbeiteten, Leute, die das Brot backten, Leute, die die Netze knüpften, Leute aller Art, und alles erforderte umfangreiche Kenntnisse und viel Wissen, das in diesen Kenntnissen steckte und hinter ihnen stand – vielleicht war das das Leben.“ (unsere Übersetzung).
[2] Napier, John. A mão do Homem. Anatomia, Função, Evolução. Zahar editores. Editora Universidade de Brasília. Rio de Janeiro. 1980:199
[3]Durch die Einfachkeit seiner Form und Bauweise ermöglicht der Hocker dem Kind die ersten, grundlegenden Lernschritte in dem ganzen Arbeitsprozess, der die Herstellung von Möbeln umfasst (Zuschnitt – Zusammenfügen der Teile – Endarbeiten).
[4] Wörterbucherklärung im Dicionário Aurélio da língua portuguesa. Editora Nova Fronteira. São Paulo. 1994. (unsere Übersetzung]