In den USA ist es offenkundig, dass Rassismus, Armut und Sterblichkeit zusammenhängen, allgemein und besonders in Zeiten der Corona-Pandemie (New York Times 2020). Menschen, die als afroamerikanisch gesehen werden, sind überproportional von Armut, Krankheiten und früher Sterblichkeit betroffen. Auch Rassismuserfahrungen sind ein Gesundheitsrisiko.
Dies gilt auch für Deutschland, wo Armut krank macht und eher sterben lässt (vgl. Robert Koch Institut 2014). Und Menschen, die in Deutschland als Migrant*innen, als Schwarze, als Muslime oder Personen mit Fluchtgeschichte gesehen werden, sind überproportional von Armut und rassistischer Diskriminierung betroffen und somit von erhöhter Sterblichkeit (Bundesregierung 2017; Antidiskriminierungsstelle des Bundes 2018). Neben den ständigen Gesundheitsbelastungen durch Armut und Rassismus ist aktuell eine Intensivierung von rassistischen Handlungen festzustellen (Amnesty International 2020; Die Zeit 2020).
Die rassistischen Morde in Hanau an Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nessar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Gabriele Rathjen, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov Anfang 2020 (https://rat-fuer-migration.de/2020/02/21/stellungnahme-zu-hanau-es-wird-hoechste-zeit-rassismus-beim-namen-zu-nennen/) und dann im April 2020 in Celle an Arkan Hussein Khalaf (https://www.nds-fluerat.org/42848/aktuelles/erklaerung-nach-der-toetung-von-arkan-hussein-khalaf-in-celle/ ) haben die Realität und das Gefühl rassistischer Gefährdung noch verstärkt. Auch die Ausgangssperren und Firmen-Schließungen verstärken soziale und ökonomische Ungleichheiten. Auch Ungleichheiten in den Bereichen Bildung und Arbeit wachsen.
Wie kann gegen die Diskriminierung durch Armut und Rassismus strukturell, institutionell und konkret von Individuen vorgegangen werden?
Neben Solidarität in der Nachbar*innenschaft gibt es zum einen Stellungnahmen wie von Yasemin Karakaşoğlu und Paul Mecheril vom Rat für Migration, wo die ungleiche globale und lokale unterschiedliche Verletzlichkeit/Vulnerabilität von Menschen durch Armut, Sexismus und Rassismus hervorgehoben wird (Rat für Migration 2020). Zum anderen gibt es konkrete lesenswerte Handlungsempfehlungen wie von Amnesty International (2020b) oder von einzelnen Initiativen (Netzwerk rassismuskritische Migrationspädagogik Baden Württemberg 2020).
Strukturell werden ökonomische, bildungs-bezogene, soziale, gender-bezogene und rassistische Diskriminierungen verstärkt und werden global und in Deutschland mehr ignoriert als angegangen.
Im Anthropozän schaden Menschen nicht nur bewusst der Natur und Tieren, sondern auch bestimmten „anderen“ Menschen. Insbesondere ältere Menschen werden systematisch diskriminiert und als Belastung charakterisiert, wie dies etwa Boris Palmer von den Grünen praktiziert (Tagesspiegel 2020). Logiken vom angeblich ungleichen Wert von Menschenleben und der Verwertbarkeit von Arbeitskraft werden in Corona-Diskussionen immer wieder eingebracht. Aus der Geschichte nationalsozialistischer Krankenmorde und der Behindertenfeindlichkeit (vgl. Melter 2020), die stets mit Rassismus und Sexismus Hand in Hand gingen, haben viele nicht den Schluss gezogen, dass alle Menschen gleichwertig und das Leben aller zu schützen ist.
Was bleibt ist das Thematisieren dieser Ungerechtigkeiten und konkrete Solidarität. Der 8. Mai soll in den nächsten Jahren, so der Aufruf der Holocaust-Überlebenden Esther Bejarano und der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN – BdA) als Erinnerung und Mahnung an die Befreiung vom Faschismus am 8. Mai 1945 in Deutschland zum bundesweiten Feiertag werden (https://www.change.org/p/8-mai-zum-feiertag-machen-was-75-jahre-nach-befreiung-vom-faschismus-getan-werden-muss-tagderbefreiung-bkagvat-bundesrat ). In Bezugnahme auf aktuellen Faschismus und Rassismus wurde zu einem bundesweiten Streik gegen Rassismus am 8. Mai 2020 aufgerufen, um endlich noch weitere Schritte gegen rassistische Strukturen, Institutionen und Handlungen zu machen: https://www.buko.info/artikel/1931-tag-des-zorns ). Und auch im Rassismus privilegierte „Weiße“ sollten überlegen, was der eigene Beitrag gegen Rassismus ist.
Der Kampf gegen Nationalismus und Rassismus ist notwendiger denn je, wie die EU-Abschottungspolitik und auch die Begründung des NSU-Urteils zeigt, welche die Angehörigen der Opfer sehr enttäuschte (https://taz.de/Urteilsgruende-im-NSU-Prozess/!5682676/ ).
Der institutionelle Rassismus in Polizei, Justiz und Verfassungsschutz als auch im Bildungswesen und Arbeitsmarkt werden nicht offensiv angegangen und es wird die EU-Politik gegen Migrant*innen fortgesetzt. Daher muss der zivilgesellschaftliche Druck gegen Rassismus und Nationalismus noch stärker werden, trotz und wegen Corona!
Belege:
Amnesty International (2020): https://www.amnesty.de/informieren/aktuell/deutschland-coronavirus-keine-rechtfertigung-fuer-rassismus (Recherchedatum 01.05.2020)
Amnesty International (2020b): https://www.amnesty.de/deutschland-aktiv-gegen-rassismus-zeiten-von-corona-das-kannst-du-jetzt-tun
Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2018): Diskriminierungserfahrungen in Deutschland. Ergebnisse einer Repräsentativ- und einer Betroffenenbefragung. Nomos Verlagsgesellschaft (Baden-Baden) : http://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/Downloads/DE/publikationen/Expertisen/Expertise_Diskriminierungserfahrungen_in_Deutschland.pdf;jsessionid= 10A4B3C4CDFB05AF8B6E35E1FBBA2DC9.2_cid322?__blob=publicationFile&v=6
Bundesregierung (2017): Fünfter Armuts- und Reichtumsbericht. Berlin. https://www.armuts-und-reichtumsbericht.de/DE/Bericht/Archiv/Der-fuenfte-Bericht/fuenfter-bericht.html (Recherchedatum 01.05.2020)
Die Zeit (2020): https://www.zeit.de/kultur/2020-02/coronavirus-rassismus-chinesen-anfeindungen-aengste-diskriminierung (Recherchedatum 01.05.2020)
Melter, Claus (Hrsg.) (2020): Krankenmorde im Kinderkrankenhaus „Sonnenschein“ in Bethel in der NS-Zeit? Weinheim/ Basel: Beltz
Netzwerk rassismuskritische Migrationspädagogik Baden Württemberg (2020): 27. Newsletter. Tübingen. file:///C:/Users/sara/Downloads/NL_NWRKMP_April_2020.pdf (Recherchedatum 01.05.2020)
New York Times (2020): https://www.nytimes.com/2020/03/15/world/europe/coronavirus-inequality.html (Recherchedatum 01.05.2020)
Rat für Migration/ Yasemin Karakaşoğlu und Paul Mecheril, Vorsitzende des Rats für Migration (2020): Stellungnahme: Sars-CoV-2 und die (un)gleiche Vulnerabilität von Menschen
Stellungnahme von Yasemin Karakaşoğlu und Paul Mecheril, Vorsitzende des Rats für Migration. Bremen/Bielefeld. https://rat-fuer-migration.de/2020/04/14/sars-cov-2-und-die-ungleiche-vulnerabilitaet-von-menschen/ (Recherchedatum 01.05.2020)
Robert Koch Institut (2014): Soziale Unterschiede in der Mortalität und Lebenserwartung . Berlin https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsK/2014_2_soziale_unterschiede.pdf?__blob=publicationFile (Recherchedatum 01.05.2020)
Tagesspiegel (2020): https://www.tagesspiegel.de/wissen/coronavirus-in-deutschland-krankenstand-in-epidemie-zeit-regelrecht-explodiert/25560996.html