Fırat Yıldırım
Universität Wuppertal
Negative kollektive Identitätsbildung durch den Einfluss der Medien.
Überblickt man die tagtägliche Flüchtlingsberichterstattung in den deutschen Medien, so lässt sich eines besonders deutlich herauskristallisieren: Es gibt keine einfachen Lösungen für die teils sehr komplizierten praktischen Probleme, die mit dem Zustrom der geflüchteten Menschen nach Deutschland einhergehen. Dabei scheint die Menschen in Deutschland, neben den Kernthemen wie Finanzierung der Flüchtlingspolitik und der Ausbildungs- und Arbeitsmarktintegration von Migranten, ein „besonderes“, ein Problem von „imaginärer“ Art sichtlich zu bewegen – nämlich der vielfach beschworene drohende Verlust kollektiver Identität, verursacht durch die Flut an Menschen, die unkontrolliert nach Deutschland einwandern. Doch welche Rolle innerhalb der verschiedenen Sozialisierungsprozesse spielt die tradierte Form der Gemeinschaftsbildung für unsere Zeit noch, sprich dürfte diese Sorge eigentlich berechtigt sein? Im Spiegel soziologischer Gegenwartsdiagnosen lautet die Antwort zu dieser Frage: Jedenfalls keine so große, wie oftmals fälschlich angenommen wird. Denn wissenschaftlich betrachtet wird der Identitätsprozess eines jeden Einzelnen heute (anders noch als vor 100 oder gar 150 Jahren) weitestgehend stark von Individualmomenten gesteuert und infolgedessen zunehmend „mobiler, multipler, selbstreflexiver und Gegenstand von Veränderung und Innovation“ (Kellner 1992, S. 141), sodass uns die vermeintlich spannungsgeladene Soziodynamik dieser Tage – wohl größtenteils künstlich verursacht durch einen undifferenzierten medial-öffentlichen Flüchtlingsdiskurs – eigentlich keine allzu großen Sorgen bereiten dürfte – eigentlich. Doch scheinbar liegt die Wurzel des Übels weit tiefer, als von einigen Beobachtern vielleicht zunächst angenommen. Wodurch müsste der Duktus der medialen Aufbereitung also bestimmt sein, um einerseits der qualitativen Berichterstattung über die Flüchtlingskrise, anderseits aber auch dem Phänomen der Entstehung negativer kollektiver Identitäten gerecht zu werden, wo sich beide Themen ja offensichtlich nicht voneinander entkoppeln lassen? Fest steht: Mehr denn je wird eine gute mediale Aufklärungsarbeit benötigt, die die individuellen und gesamtgesellschaftlichen Zusammenhänge besser durchleuchten, und die Rolle von emotional bewegenden Ereignissen im Hinblick auf eine negative Veränderung des psycho-sozio-kulturellen Modells in Deutschland benennen kann. Sicherlich keine leichte Aufgabe, wohl aber alternativlos, wenn man in der gelebten gesellschaftlichen Praxis die Abgrenzung zu anderen Bevölkerungsgruppen, in diesem Fall gegenüber Schutzbedürftiger, als wesentliches konstitutives Merkmal kollektiver Identität vermeiden will.