Prof. Dr. Enrique Rodrigues-Moura
Universität Bamberg
Seit Deutschland zu den wirtschaftlich erfolgreichsten EU-Ländern gehört und die Arbeitslosigkeit sinkt, spricht man über eine Zeit der neuen Vollbeschäftigung. Richtiger wäre es allerdings, von einer prekären Vollbeschäftigung zu sprechen, denn die Konjunktur folgt der Logik des Matthäus-Effekts ,Wer hat, dem wird gegeben.‘ Gleichzeitig besitzt Deutschland eine der besten und forschungsstärksten Universitätslandschaften der Welt. Umso erstaunlicher ist es, dass nicht einmal 15% der DozentInnen (ProfessorInnen inklusive) einen unbefristeten Vertrag besitzen. Die anderen 85% haben halbe oder noch kleinere Stellen, die in der Regel von einem bis zu drei Jahren befristet sind. Hinzukommt die – in den Statistiken kaum abgebildete – Gruppe der Lehrbeauftragten, die für ein kleines Entgelt Lehrveranstaltungen leiten und alle damit verbundenen Verpflichtungen übernehmen. Diese wenig thematisierte Schattenseite der deutschen Hochschulen hat zwei grundlegende Konsequenzen: Erstens bleibt eine echte Qualitätssicherung in der Lehre ein schwer zu erfüllendes Desiderat, zweitens sind die jungen ForscherInnen zwar die Zukunft der Wissenschaft, aber ein Großteil der guten Köpfe verlässt notwendigerweise die Universität. Da die Arbeitsbedingungen für NachwuchswissenschaftlerInnen prekär sind, sind es vor allem die resilienten oder solche mit entsprechendem familiären Hintergrund, die mit größerer Ausdauer auf die Universitätsprofessur hinarbeiten können. Solange die universitäre Landschaft in Deutschland so groß sein wird, werden diese Dissonanzen freilich kaum sichtbar. Verschwinden werden sie aber nicht. Verschwinden werden nicht die persönlichen Frustrationen der AkteurInnen und auch nicht die extrem niedrige Geburtenrate innerhalb dieser hochqualifizierten Gruppe von BürgerInnen.