Übersetzung: Prof. Dr. Wolfgang Jantzen
Pedro Badía Alcalá
Sekretär für Kommunikation, Information, Kultur und institutionelle Beziehungen der Bildungskonföderation der Comisiones Obreras[2]
Begoña López Cuesta
Generalsekretärin der Stiftung FIDEAS[3]
Heute lebt ein großer Teil der nicht beschulten Mädchen und Jungen in den durch Konflikte heimgesuchten Zonen. Die Flüchtlingskrise, die auch durch die unmoralische Politik der EU provoziert wurde, hat die enormen Anteile an minderjährigen Flüchtlingen sichtbar gemacht, die, zum größten Teil ihrem Schicksal überlassen, Aufmerksamkeit und Schutz benötigen. Dies ist nicht nur die hohe Proportion von Minderjährigen, die an die Grenzen der EU gelangen, auch in den Flüchtlingslagern der Türkei, Libyens und Jordaniens, wo man schon mehr als fünf Millionen Flüchtlinge zählt, sind Minderjährige die große Mehrheit: Jungen und Mädchen, Jugendliche ohne Zukunft, verdammt zu Ausgrenzung und Gewalt.
Als internationale Organisationen und Bewegungen müssen wir uns dazu verpflichten, die notwendigen und angemessenen Antworten zu geben, um die Bildungsbedürfnisse der deplatzierten Personen und der Flüchtlinge zu befriedigen, die in die humanitären Aktionen einbezogen werden müssen. Die Bildung[4] ist eine Wette auf die Zukunft, damit Millionen von Menschen in Situationen des Konflikts, des Notfalls und des Post-Konflikts ihre Hoffnung aufrecht erhalten können. Wir präzisieren: Erziehung und Bildung als Instrument der sozialen Intervention und der frühzeitigen Erholung von Mädchen, Jungen und Jugendlichen.
Daher benötigen wir eine einvernehmliche Tagesordnung (agenda común), die über den Sinn von Erziehung und Bildung und der öffentlichen Schule reflektiert, über die Bedeutung der Rolle der Lehrerschaft und die Wiedergewinnung internationaler und nationaler Investitionen. Und die den Herausforderungen trotzt, die aus dieser Reflexion entstehen.
Wir benötigen Investition, was bedeutet, die harten Kürzungen zurückzufahren, die im nationalen und internationalen Bereich auf einem Höhepunkt angelangt sind. In vielen Ländern, wie Spanien, haben sich die Kürzungen vermittels Gesetzen und unter dem argumentativem Schirm der Krise in strukturelle verwandelt Man muss die 0,7% des Bruttoinlandprodukts (BIP) für Kooperation und Entwicklung zurück erlangen. Man muss Politiker für einen Schuldenerlass für die Länder aktivieren im Sinne der Entwicklung von Investitionen in Bildungsprojekte. Und mittelfristig muss man das Augenmerk auf 6% des nationalen BIP für Erziehung und Bildung ausrichten
Vom Sinne von Erziehung und Bildung zu sprechen bedeutet, die öffentliche Schule und die kulturelle Vielfalt anzustreben, diese interkulturelle Dimension in die Bildung und in die curriculare Planung zu integrieren, in die schulische Organisation selbst, in die Methodologie des Klassenzimmers und die Lehrerbildung selbst, ein Projekt mit gemeinschaftlichem Zentrum denken, des schulischen und personellen, des pädagogischen, kulturellen und ethischen Erfolgs.
Es bedeutet auch, die Vision und den politischen Willen zu unterstützen, die sich in den zahlreichen internationalen und regionalen Menschenrechtsabkommen widerspiegeln, in denen sich das Recht auf Erziehung und Bildung etabliert und seine enge Relation zu anderen Menschenrechten.
Erziehung und Bildung verstanden als den hauptsächlichen Motor für die Entwicklung und Verfolgung der Ziele für eine nachhaltige Entwicklung. Die Deklaration von Incheon des Welterziehungsforums, in der Republik Korea vom Mai 2015, „Erziehung 2030: Auf dem Weg zu einer inklusiven und qualitativ gerechten Erziehung und Bildung und lebenslangem Lernen für alle“[5] signalisiert, dass wir eine globale Vision benötigen, inspiriert von „einer humanistischen Konzeption der Erziehung und der Entwicklung, die auf den Menschenrechten basiert und auf der Würde, der sozialen Gerechtigkeit, der Inklusion, des Schutzes, der kulturellen, sprachlichen und ethnischen Vielfalt, sowie der Verantwortlichkeit und gemeinsamen Rechenschaftslegung.“
Erziehung und Bildung sind ein Grundrecht, das die Realisierung der anderen Rechte möglich macht, deren Dreh- und Angelpunkte Inklusion und soziale Gerechtigkeit sind, was bedeutet, dass kein Erziehungsziel als zu erreichen in Betracht bezogen werden darf, das keinen schulischen Erfolg für jeden und jede erreicht hat.
Der nigerianische Anthropologe John Ogbu hebt hervor dass, obwohl die Auseinandersetzung (batalla) sich im Klassenraum entwickele, ihr Ursprung außerhalb liege.[6] Wir müssen den Einfluss der Schule in die Gesellschaft zu optimieren versuchen und von dieser in die Schule, indem wir die öffentliche Schule in ein höchst wichtiges Werkzeug verwandeln, um das Wohlergehen der Gesellschaften herzustellen. Der Soziologe Pablo Gentili[7] hat diesbezüglich geschrieben, dass „die Erziehung und Bildung sich transformieren muss in eine Gelegenheit, die Welt in der wir leben zu begreifen und uns zu helfen, sie auf Grundlage der Prinzipien der Solidarität, der Gleichheit und der radikaleren Verteidigung der Menschenrechte, des Friedens und der sozialen Gerechtigkeit zu entwickeln.“ Und wörtlich, inspiriert durch Paulo Freire, fügt er hinzu, dass „die Erziehung und Bildung nicht die Welt verändert, Erziehung und Bildung verändern die Personen, und diese sind es, die die Welt zu einem würdigen und einladenden Ort machen werden. Erziehung und Bildung sind der Raum, die Plattform, die Wiege, wo sich Hoffnung und Utopie entwickeln, die Energien für unseren Kampf für Gesellschaften anstoßen, wo die Menschen etwas sein werden, was mehr ist als ein Tauschwert, und die Vernunft ein Gemeingut, das jede und jeder aneignen kann.“
Und in Worten von Francesc Carbonell y Danilo Martuccelli, 2009,[8] (Guillén, Februar, 2012) „ist die Umstellung des Erziehungsberufs mittels einer klar ethischen Motivation dringend, denn eine Erziehungspraxis, welche Ungleichheit reproduziert, ist in sich selbst ein moralischer Widerspruch: Erziehung und Bildung müssen ganz präzise eine freie und kritische Bürgerschaft heranbilden und ihre individuelle und kollektive Realisierung durch Personen und Gemeinschaften favorisieren. Und diese Bedingungen sind nicht möglich durch Erziehungspraktiken, die existierende Situationen sozialer Ungerechtigkeit reproduzieren und konsolidieren.“[9]
In diesem Sinne ist die Rekonstruktion des Lehrerberufs eine Herausforderung mit hoher Bedeutung angesichts der paradoxen Situation, in der sie sich befindet. Einerseits existieren viele Forschungsergebnisse, die die Relevanz aufzeigen, die die Qualität der Lehrer für die Qualität von Erziehung und Bildung und den schulischen Erfolg besitzt. Andererseits werden im internationalen wie im nationalen Bereich Maßnahmen und politische Entscheidungen ergriffen, welche die Prekarität der Arbeitssituation, die Proletarisierung des Lehrerberufs, die kollektive Demoralisierung und die Schwächung des professionellen Wissens provozieren. Die Herausbildung des Lehrerberufs ist eine permanente Aufgabe, die sich gegenwärtig in ein instabiles und definitiv komplexes Szenario entwickelt.
Wir benötigen Politiker, die sich um den Lehrerberuf sorgen und ihn schützen. Eine ordnungsgemäß beschäftigte Lehrerschaft, mit guter pädagogischer Ausbildung und sozialer Sensibilisierung, motiviert und mit hineinreichenden Ressourcen, unterstützt durch die Erziehungspolitik. Und mit Bewusstsein über die ethische und soziale Bedeutung ihres Berufs.
Der Lehrer und die Lehrerin erlangen eine relevante Rolle, um es möglich zu machen, dass die Rechte der Kinder, der Jungen und Mädchen, eine gelebte Realität sein können. Gewerkschaftliche Organisationen wie die CCOO sind – zum Zeitpunkt der Schaffung eines gegenüber dem existierenden alternativen Erziehungs- und Bildungssystem – ein unverzichtbares Element, da sie die „Barriere der Interkulturalität“ aufzeigen können und zudem man es wagen muss, den Fokus zuzuspitzen auf Interkulturalität und Menschenrechte in den ökonomischen, sozialen und politischen Beziehungen, welche fähig wären, jenen, durch den Meteorologen Edward Lorenz in seiner Chaostheorie definierten, „Schmetterlingseffekt“[10] in Gang zu setzen, wo jede Aktion bedeutsam ist, so bedeutungslos sie auch erscheint, da sie eine Kette von Reaktionen in jeder Person, die wir kennen, provozieren kann, in jedem Gewerkschafter und jeder Gewerkschafterin, in jeder Schule, in jeder Ortschaft etc. Wie „der einfache Flügelschlag eines Schmetterlings“ für den Schutz der Rechte von hunderttausenden von Kindern, von Jungen und Mädchen, seien sie wo auch immer sie seien.
CEAR. (2016). Informe 2015: Las personas refugiadas en España y Europa. Madrid: CEAR.
CONVENCIÓN SOBRE EL ESTATUTO DE LOS REFUGIADOS. (1951). GINEBRA: ONU.
Guillén, P. G. (2012). Hacia una escuela inclusiva. Cuadernos de Pedagogía (febrero, 2012) nº 420, 51.
LEY 12/2009, de 30 de octubre, REGULADORA DEL DERECHO DE ASILO Y DE LA PROTECCIÓN SUBSIDIARIA. (s.f.). BOE, Nº 263.
LUCAS, J. D. (2015). MEDITERRÁNEO: EL NAUFRAGIO DE EUROPA. VALENCIA: TIRANT HUMANIDADES.
OIT – ORGANIZACIÓN MUNDIAL DEL TRABAJO. (2016). PERSPECTIVAS SOCIALES Y DEL EMPLEO EN EL MUNDO – TENDENCIAS 2016. GINEBRA: OIT.
ORGANIZACIÓN DE NACIONES UNIDAS. (s.f.). DECLARACION UNIVERSAL DE LOS DERECHOS HUMANOS. RES. 217 A, de 10 de diciembre de 1948, ASMBLEA GENERAL.
OXFAM. (2016). Una Economía al Servicio del 1%. OXFAM.ORG.
[1]Aus dem Spanischen übersetzt ins Deutsche und mit Fußnoten versehen: Wolfgang Jantzen
[2]Die Arbeiterkommissionen (Comisiones Obreras, CCOO) sind die größte spanische Gewerkschaft mit mehr als einer Million Mitglieder <https://en.wikipedia.org/wiki/Workers’_Commissions> (05.06.2016)
[3]Stiftung Erforschung und Entwicklung sozialer Studien und Handlungen. (Fundación Investigación y Desarrollo de Estudios y Actuaciones Sociales FIDEAS). <https://es.linkedin.com/in/bego%C3%B1a-l%C3%B3pez-cuesta-0007b1107> (05.06.2016)
[4]Im Spanischen existiert keine begriffliche Trennung von Erziehung und Bildung. Ich habe daher educación in der Regel mit Erziehung und Bildung übersetzt.
[5]Education 2030: Towards inclusive and equitable quality education and lifelong learning for all <https://en.unesco.org/world-education-forum-2015/incheon-declaration> (05.06.2016)
[6]Zu John Ogbu siehe https://de.wikipedia.org/wiki/John_Ogbu
[7]Pablo Gentili ist Exekutivsekretär des „Consejo Latinoamericano de Ciencias Sociales (CLACSO)“ (Lateinamerikanischer Rat der Sozialwissenschaften), Professor an der staatlichen Universität von Río de Janeiro und Koordinator des „Observatorio Latinoamericano de Políticas Educativas (FLACSO/UERJ/ UMET.“(Lateinamerikanisches Observatorium für Erziehungspolitik). <https://www.google.de/#q=pablo+gentili+education+pdf> (05.06.2016)
[8] Zitiert nach: Pep Gratacós i Guillén, in Cuadernos de Pedagogía (Pädagogische Hefte) nº 420, febrero 2012, p.51 (Fußnote im Original)
[9]Ein englischsprachiges Interview mit Danilo Matriccelli findert sich unter <https://www.google.de/#hl=de&q=Francesc+Carbonell+y+Danilo+Martuccelli+pdf> (05.06.2016)
[10]<https://de.wikipedia.org/wiki/Schmetterlingseffekt> (05.06.2016)