Prof. Dr. Johanna Wanka
Bundesministerin für Bildung und Forschung
Gute Bildung und Ausbildung sind grundlegende Voraussetzungen für gesellschaftliche Teilhabe und berufliche Aufstiegschancen und damit für persönliches Glück. Migrantinnen und Migranten in Deutschland starten oft mit schlechteren Ausgangsbedingungen – jedenfalls im statistischen Durchschnitt. Dies darf aber nicht zu mehr Schulabgängern ohne Zeugnis, schlechteren Bildungsabschlüssen oder einer geringeren Beteiligung an der beruflichen Ausbildung führen. Dafür muss die Politik Sorge tragen.
Die Bildungspolitik in Bund und Ländern hat in den letzten Jahren erhebliche Anstrengungen unternommen, um die Bildungsbeteiligung und die Bildungserfolge der Menschen in Deutschland, insbesondere der Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Migrationshintergrund, zu verbessern. Mit der von der Bundesregierung und den Ministerpräsidenten der Länder verabschiedeten Qualifizierungsinitiative „Aufstieg durch Bildung“ stärken wir beispielsweise die frühkindliche Bildung, intensivieren die Sprachförderung und verbessern den Übergang in die Berufsausbildung.
Auch die Integrationsgipfel der Bundeskanzlerin haben sich mehrfach mit der Bildungssituation von Menschen mit Migrationshintergrund befasst. Der auf dem Integrationsgipfel 2011 verabschiedete „Nationale Aktionsplan Integration“ hat die Bedeutung, die Bildung, Ausbildung und Weiterbildung für die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen aus Einwandererfamilien haben, sehr deutlich gemacht. Es wurden damals bildungspolitische Ziele mit insgesamt 17 Indikatoren definiert, um so die tatsächlichen Erfolge der Maßnahmen von Staat und Zivilgesellschaft messen zu können: Seitdem kann beispielsweise der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund am pädagogischen Personal nachgehalten werden oder ihr Anteil an den Auszubildenden in der beruflichen Bildung. Eine erste positive Bilanz wurde bereits 2013 gezogen, eine Evaluation des Aktionsplans ist für dieses Jahr vorgesehen.
Heute wissen wir, dass sich die Bildungssituation von Migrantinnen und Migranten über die Jahre hinweg verbessert hat, denn es sind immer mehr Kinder in der Kindertagesbetreuung, was besonders für den Spracherwerb wichtig ist. 2013 waren 58 Prozent aller Kinder unter sechs Jahren mit Migrationshintergrund in einer Kindertagesbetreuung untergebracht. Der Zugang zu höherqualifizierenden Bildungsgängen (insbesondere Sekundarstufe II, Gymnasien) steigt weiter, während die Zahl der Schülerinnen und Schüler ohne allgemeinbildenden Abschluss sinkt. Die internationalen Schulleistungsvergleiche wie PISA oder TIMMS haben gezeigt, dass die Jugendlichen mit Migrationshintergrund stark aufholen: Sie haben sich zwischen 2003 bis 2012 beispielsweise in Mathematik um 24 Punkte verbessert. Die Schüler ohne Migrationshintergrund haben in dieser Zeit nur vier Punkte dazu gewonnen. Gleichzeitig steigt die Zahl der Studierenden aus Einwandererfamilien.
Diese Entwicklung ist besonders erfreulich: der Anteil von Einwandererkindern an den Gesamtstudierenden betrug im Jahr 2012 23 Prozent. Von diesen Studierenden sind fast Dreiviertel (72 Prozent) in Deutschland geboren, sind also Einwandererkinder in der zweiten und dritten Generation. Berufliche Gymnasien oder Fachhochschulen spielen für diese Gruppe eine wichtige Rolle, denn sie machen den Bildungsaufstieg möglich. Studierende mit Migrationshintergrund kommen viermal so häufig aus einer Familie mit niedrigerer Bildungsherkunft (21 Prozent) wie andere, von denen lediglich 5 Prozent aus Elternhäusern mit niedrigeren Bildungsabschlüssen stammen. Auch deshalb haben wir die Studienförderung insgesamt ausgebaut und mit der Einrichtung des Avicenna-Studienwerks ab dem Wintersemester 2014/15 erstmals Stipendien für begabte und engagierte muslimische Studierende und Promovierende geschaffen.
Es wird also deutlich: Unsere Anstrengungen tragen Früchte und die Kinder mit Zuwanderungsbiografie holen auf.
Zwar zeigt in den Hochschulen der mögliche Bildungsaufstieg von Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Zuwanderungsgeschichte am deutlichsten. Aber die verbesserten schulischen Leistungen und Abschlüsse haben noch nicht zu einer deutlich verbesserten Beteiligung am Ausbildungsmarkt geführt. Junge Erwachsene aus Einwandererfamilien stellen immer noch 38,3 Prozent der 25- bis 30-Jährigen ohne Berufsabschluss. Zwar ist es gelungen, mehr Jugendliche für eine betriebliche Ausbildung zu gewinnen, der Unterschied zu ihren Altersgenossen ist allerdings erheblich. Umso wichtiger und notwendiger ist es, deutlich zu machen, dass auch die Berufliche Bildung gute Aufstiegschancen bietet – vom Auszubildenden über den Meister und selbständigen Betriebsinhaber bis in die Hochschulen hinein.
Hier müssen wir noch deutlich mehr tun, um diese jungen Menschen für die berufliche Ausbildung zu gewinnen, die in Deutschland ein wichtiger Pfeiler des Bildungssystems ist und ein chancenreicher Weg ins Berufsleben. In keinem anderen Land der Welt ist die Berufsausbildung so gut organisiert wie in Deutschland. Wir haben daher die Zahl der Servicestellen verdoppelt, in denen wir Unternehmer und Familien mit Migrationshintergrund über berufliche Bildung und die duale Ausbildung informieren.
Mit der im Dezember 2014 vereinbarten „Allianz für Aus- und Weiterbildung“ wollen wir die Situation auf dem Ausbildungsmarkt und vor allem die Chancen für Jugendliche aus migrationsbedingten Problemlagen verbessern. Partner der Regierungen von Bund und Ländern sind die Gewerkschaften, Arbeitgeber, die Kammerorganisationen und die Bundesagentur für Arbeit. Zum Weltfrauentag haben wir ein Projekt namens “Image” gestartet. Darin geht es darum, Unternehmen gezielt auf Akademikerinnen mit Einwanderungsbiografie aufmerksam zu machen. Und in der „Koordinierungsstelle Ausbildung und Migration“ (KAUSA) arbeiten wir eng mit Migrantinnen und Migranten und den von ihnen geführten Betrieben zusammen. KAUSA-Servicestellen und das KAUSA-Jugendforum unterstützen uns dabei.
Auch unsere gemeinsame Initiative mit den Ländern „Abschluss und Anschluss – Bildungsketten bis zum Ausbildungsabschluss“ setzt einen deutlichen Schwerpunkt in der beruflichen Bildung: Potentialanalysen, Berufseinstiegsmaßnahmen und Begleitung beim Berufseinstieg sollen zu einem erfolgreichen Berufsabschluss führen. Mit dieser Maßnahme erreichen wir immer mehr junge Menschen in Deutschland. Unser starkes duales System der betrieblichen Ausbildung ist mit ein Grund für die niedrige Jugendarbeitslosigkeit hierzulande. Wir müssen die Einwandererfamilien noch besser informieren, dass eine solide Ausbildung auch für ihre Kinder ein guter Weg in den Beruf ist.
Die Differenzen bei Bildungsbeteiligung und Bildungserfolg sind, auch wenn die Situation sich kontinuierlich verbessert, zwischen den jeweiligen Altersgruppen mit und ohne Migrationshintergrund teilweise noch erheblich. Den größten negativen Einfluss auf den Bildungsverlauf hat dabei die soziale Herkunft. Das heißt, besonders schwer haben es junge Menschen aus einer sozialen Risikolage, also die aus einem erwerbslosen, armutsgefährdeten oder bildungsfernen Elternhaus kommen. Dies gilt für alle junge Menschen, Kinder aus Zuwandererfamilien kommen jedoch häufiger aus einer sozialen Risikolage. Deshalb bleibt Förderung weiterhin notwendig, damit sich ihre Chancen weiter verbessern und sie ihr Potential entfalten und zur Geltung bringen können.
Im Interesse der Kinder und Jugendlichen in Deutschland werde ich die Maßnahmen und Aktivitäten zur Förderung von Bildung und Ausbildung fortsetzen. Das deutsche Bildungssystem muss Kinder mit Migrationshintergrund noch engagierter fördern. Deutschland kann es sich nicht leisten, auf sie zu verzichten.
Einen detaillierten Überblick über Politik und Maßnahmen des BMBF bietet die neuaufgelegte aktualisierte Broschüre „Integration durch Bildung“, die auf der Homepage des Ministeriums (www.bmbf.de) zu finden ist. Sie kann darüber hinaus auch bestellt werden bei Publikationenversand der Bundesregierung, Postfach 481009, 18132 Rostock oder per E-Mail unter publikationen@bundesregierung.de .