Medienfragen
Die Mobilisierung der Menschen hat ihre Kommunikation verändert. Sie können weniger auf alltägliche Vertrauensbeziehungen zurückgreifen, um ihre Meinung zu bilden. Mobilisierung ist ein Teil der Modernisierung, und diese ist auch ein Prozess der Medialisierung, indem Menschen sich aus spezialisierten Quellen der Massenkommunikation Information beschaffen und auf die Strukturierung der Information durch die Medienmacher angewiesen sind. Gleichzeitig sind die Medien insgesamt zu einer vierten Macht im Staate aufgestiegen und kontrollieren die Entstehung von Weltbildern und dominanten Wirklichkeitskonstruktionen. Dabei übt niemand Kontrolle auf die Medien aus außer denen, die sie besitzen. Öffentlichkeiten sind fragmentiert, die sogenannten sozialen Netzwerke produzieren vor allem eine braune Flut, aber durchaus auch eine kritische Gegenöffentlichkeit.
Das Selbstverständnis der Medien, wobei diese Verallgemeinerung natürlich unzulässig ist, lässt Belehrungen nicht zu. Auch Kritik hat es wie bei allen Menschen, auch bei den Kritikern der Medien, schwer und wird schnell als Kränkung aufgenommen. Die Medien haben grundsätzlich eine reflektierende Position in der Gesellschaft, sie bilden nicht einfach ab, sie haben den Anspruch, sinnhafte Zusammenzuhänge zu ordnen und zu erschließen. Überwiegend produzieren sie dabei das positive Bild der Gesellschaft von sich selbst, den mainstream der Wahrnehmung der Anderen und von sich selbst. Medien sind also prinzipiell ethnozentrisch und nur bedingt kritisch, sowohl zur eigenen Gesellschaft als auch zur eigenen Auffassung. Ihre Kritikfähigkeit endet an den Grenzen des positiven Gesellschaftsselbstbildes, das umso mehr gefährdet ist, je mehr die Realität davon abweicht.
Bei der Berichterstattung (wobei dieser Begriff schon euphemistisch ist) über Minderheiten, über Fremde im eigenen Land, über Soziale Probleme u.Ä. dominiert deshalb ein Subtext mit der Tendenz, die eigenen Probleme anderen zuzuschreiben, Probleme als importiert darzustellen, Äußerungen und Handlungen aus dem Ausland als Angriff und Bedrohung zu interpretieren. Dabei gilt dies nicht schematisch, sondern immer in der Struktur einer internationalen Ordnung, in der Freund und Feind säuberlich getrennt worden sind.
Die Öffentlichkeit ist aber prinzipiell aber doch eine selbstreflexive Institution. Minderheiten der Medien nehmen diese Funktion stärker wahr als diejenigen, die aus ökonomischen Gründen ständig um Marktanteile kämpfen müssen. Mit dem Schub zur Vermarktlichung der Medienlandschaft, der verschärften Konkurrenz um Werbeaufträge und Nutzerquoten und mit der Selbstprofilierung als Verkünder der richtigen gesellschaftlichen Ordnung ist nicht nur eine Nivellierung der geäußerten Meinungen verbunden, sondern auch eine hermetische Abschirmung gegenüber Verunsicherungen durch Kritik. Wahrgenommen werden können in diesem Prozess lediglich Bedrohungen durch sinkende Nutzerfrequenzen und Werbeeinnahmen. Deshalb ist auch der Spielraum des einzelnen Journalisten eng geworden.
In dieser Situation kann nur der Machtverlust zur Veränderung der Medien veranlassen. Da wirkt der Verlust der ökonomischen Ressourcen stärker als der Rückgang der Nutzerloyalität. Zumindest daran kann jede*r mitarbeiten.