Pascal Thibaut (Radio France İnternational)
Es gibt wenige deutsche Worte oder Abkürzungen, die sich in Frankreich eingebürgert haben. Und wenn ja, dann liegt dieser Sprachexport einige Jahre oder Jahrzehnte zurück. In den letzten Wochen kam eine andere deutsche Vokabel dazu, Pegida.
Mit grosser Aufmerksamkeit wurden die Geburt und besonders den immer grösseren Zulauf dieser Bewegung beobachtet. Eine gewisse Schadenfreude mag dabei bei meinen Landsleuten, genauer gesagt bei den Medienmachern, eine Rolle gespielt haben. Die Immunität des politischen deutschen Systems gegenüber stark extreme Gruppierungen schien am Bröckeln. Dass die Alternative für Deutschland, nicht mehr nur als eine Anti-Euro-Partei betrachtet werden kann sondern eher als einigermassen etablierte (und gewählte) national-konservative Bewegung agiert, ist in Frankreich bei vielen noch nicht angekommen.
Im Gegensatz zur „Professoren-Partei“ AfD hat die Basisbewegung Pegida mit ihrer Anti-Islam-Orientierung, die zur Stigmatisierung der Moslems in Deutschland und darüber hinaus beiträgt, eine „Volksnähe“, die diese Gruppe eindeutig im rechtspopulistischen Milieu ansiedelt (und weiter sogar für extremistische Personen, die mitmarschieren).
Ist mit den Erfolgen der AfD, dem Zulauf von Pegida und dem Zuspruch für die NPD in manchen ostdeutschen Ländern eine „Normalisierung“ Deutschlands unter den europäischen Ländern festzustellen? In vielen anderen Nationen des Kontinents sind rechtspopulistische oder rechtsextremistische Kräfte mittlerweile feste Bestandteile der politischen Landschaft. Deutschland ist bis jetzt mit regionalen Ausnahmen davon verschont geblieben.
Das Stigma des Dritten Reiches hat mit Sicherheit eine lange Wirkung geübt und das Land vor solchen Kräften immunisiert. Mit der Zeit lässt dies möglicherweise nach. Insbesondere in den neuen Ländern, wo diese jahrzehntelange Last weniger geprägt war. Aber darüber hinaus ist eine Bewegung wie Pegida Ausdruck eines Vakuums und erklärt sich sicher mit der Diskrepanz zwischen dem politischen Angebot der klassischen Parteien und ihrer Kommunikationspolitik.
Einerseits hat der Mitte-Kurs der CDU unter Angela Merkel eine offene Flanke rechts von den Christdemokraten offen gelassen. Andererseits ist es offensichtlich, wie häufig Pegida-Demonstranten betonen, sie seien nicht von den Politikern gehört und ihre Anliegen würden diese nicht erreichen. Und dies obwohl alle Parteien vor Ort mit Vertretern ansprechbar sind. Darüber hinaus lassen sich politische Anliegen durch andere Kanäle vermitteln, durch Vereine oder Bürgerinitiativen.
Der Frust der Pegida-Anhänger ist aber da. Sicher die Politik muss darüber nachdenken, warum manche Bürger sich von den vorhandenen Kräften und ihrem Angebot nicht repräsentiert fühlen. Aber der mögliche Dialog zwischen den etablierten Parteien und Pegida kann inhaltlich nur strikte Grenzen haben. Viele der Ängste, die geschürt werden, vor allem über eine angebliche Islamisierung Deutschlands, sind so realitätsfern und stigmatisierend für die Moslems in diesem Lande, dass ein Dialog schnell zur Sackgasse führen wird.
Die grösste Gefahr wäre –das zeigt das französische Beispiel- ein blindes Verständnis für diese Thesen aufzubringen bzw. manche, selbst in einer abgemilderten Form, zu übernehmen. Die „Le Penisierung“ hat in Frankreich nur dazu geführt, dass das Original gestärkt wurde. Eine „Pegidisierung“ der Programme der deutschen Parteien würde eine grosse Gefahr mit sich bringen und die Bewegung dadurch legitimieren.
Das französische Beispiel zeigt, dass es vor allem wichtig ist, die Anhänger solcher Kräfte zurückzuholen, in dem man die Thesen der Wortführer widerspricht und mit Argumenten demontiert. Dies sollte eigentlich bei Pegida nicht so schwierig sein.
Aber gleichzeitig muss tiefgründig untersucht werden, warum manche Bürger sich von solchen Angstthemen begeistern lassen und warum die Ablehnung des politischen Systems zunimmt. Die niedrige Wahlbeteiligung von 50% bei den letzten Landtagswahlen in Sachsen 2014, der Heimat Pegidas, war sicher ebenfalls ein Ausdruck dieser Ablehnung.