Die Entfesselung des Kriegs war ein Vorgang, der bis zu einem gewissen Grad erwartet worden war. Die Bündnisse der Entente (Frankreich, Großbritannien und Russland) sowie des Dreibunds (Deutschland, Österreich-Ungarn und Italien) waren für Kriegsfälle geschlossen worden. Die Destabilisierung des noch immer bestehenden Mächtegleichgewichts erfolgte jedoch außerhalb der Bündnisse auf dem Balkan. Österreich-Ungarn wurde dann zwar zurecht als jenes Reich herausgegriffen, das mit dem Ultimatum an Serbien vom 23. Juli 1914 und mit der Kriegserklärung am 28. Juli ganz wesentlich zur Entfesselung beigetragen hat, doch das erklärte nicht die Reaktionen der Entente (England und Frankreich sowie Russlands), ebenso wenig wie jene des mit Österreich-Ungarn Deutschland. Man begibt sich bei der Kriegsschuldfrage und den Ursachen für den Krieg aber ebenso schnell auf das Gebiet der kontrafaktischen Geschichte wie bei der Frage nach den Gründen, weshalb es keinen Verständigungsfrieden und keine Beendigung der Kampfhandlungen zu einem Zeitpunkt X gegeben hat.
Jeder Staat, der in den Krieg eingetreten ist, verfolgte ganz bestimmte Interessen. Österreich-Ungarn wollte mit einem Sieg über Serbien der Gefahr begegnen, dass Serbien weiterhin seine jugoslawischen Ziele verfolgte und die Habsburgermonarchie destabilisierte. Mit dem Krieg gegen Serbien wurde aber bewusst in Kauf genommen, dass sich Russland einschaltete, das noch vor dem Sommer 1914 Truppen in seinen östlichen Militärbezirken auf Kriegsstand gebracht hatte. Bereits in dieser frühen Phase des Kriegs wurde die Auflösung ganzer Staaten ins Spiel gebracht: Österreich-Ungarn überlegte die Aufteilung Serbiens auf andere Balkanstaaten (Rumänien, Bulgarien, Griechenland), und Russland erklärte die Auflösung der Habsburgermonarchie zum Kriegsziel. Dabei setzten alle Kriegführenden auf die bestehenden Bündnisse. Die Entente konnte freilich ihr Bündnis zur Gänze zum Einsatz bringen, während die Mittelmächte (Deutschland und Österreich-Ungarn, ab November 1914 das Osmanische Reich und ab Sept. 1915 Bulgarien) den ursprünglich dem Dreibund angehörenden Partner Italien und das lose mit den Mittelmächten verbundene Rumänien nicht zum Kriegseintritt bewegen konnten.
Die Entfesselung des Kriegs war ein Vorgang, bei dem Kaiser Franz Joseph eine entscheidende Rolle spielte und auch seine extrakonstitutionelle Macht nützte. Der Kaiser wollte den Krieg und vermied bis zu seinem Tod jegliche Erörterung eines Waffenstillstands oder Sonderfriedens. Auch die schweren militärischen Niederlagen der Habsburgermonarchie gegen Serbien und Russland und die Besetzung eines Großteils Galiziens 1914 änderten nichts an seinem Entschluss, den Krieg fortzusetzen. Das war jedoch ab dem Winter 1914/15 nur mehr mit deutscher Hilfe möglich. Das österreichisch-deutsche Verhältnis wurde zu einem der ganz entscheidenden Faktoren für den Verlauf des Kriegs. Dank der massiven militärischen Hilfe Deutschlands konnte im Mai 1915 die Rückeroberung Galiziens begonnen und Russland für ein Jahr die Offensivfähigkeit genommen werden. Mit deutscher Hilfe konnte 1915 auch Serbien niedergeworfen werden. Schließlich ermöglichte es die deutsche Truppenpräsenz in Polen der k.u.k. Armee, den von Italien am 23. Mai 1915 erklärten Krieg im Südwesten zu führen und die Entscheidung auf diesem Kriegsschauplatz bis 1917/18 offen zu lassen. Die Verluste der österreichisch-ungarischen ebenso wie der italienischen Armeen in Oberitalien und vor allem am Isonzo waren dabei ähnlich hoch sie die deutschen und französischen Verluste im Raum Verdun.
Österreich-Ungarn beteiligte sich auch an der militärischen Unterstützung des Osmanischen Reichs und begann 1916 mit der Entsendung von Artillerie, Pionieren und technischen Truppen, die schließlich bis an den Suezkanal und nach Messopotamien vordrangen. Das Osmanische Reich seinerseits entsandte drei Infanteriedivisionen, die an der österreichisch-ungarischen Front gegen Russland eingesetzt wurden.
Im September 1916 kam es zu einer kaum ausreichend beachteten, definitiven Verschiebung der Gewichtungen innerhalb des Bündnisses der Mittelmächte. Nach einer von den Russen überraschend erfolgreich geführten Offensive war Österreich-Ungarn ein weiteres Mal nicht mehr kriegsfähig, erhielt aber wieder so massive deutsche Hilfe, dass es nicht zum Zusammenbruch der österreichisch-ungarischen Front im Osten kam. Deutschland forderte jedoch in der Folge einen weitgehenden Souveränitätsverzicht der Habsburgermonarchie. Auf Grund der dann vereinbarten Bestimmungen der „Gemeinsamen Obersten Kriegsleitung“ lag die alles entscheidende und ausschließliche Befehlsgewalt beim deutschen Kaiser, dessen Einfluss sich auf alle Fronten erstrecken sollte, an denen k.u.k. Truppen standen. Letztlich war es auch nur mehr dem deutschen Kaiser gegeben, über Fortsetzung oder Beendigung des Kriegs zu entscheiden. Kaiser Franz Joseph erklärte sich einverstanden.
Nach dem Tod Franz Josephs versuchte Kaiser Karl erfolglos, die deutsche Dominanz zu beenden. Da Österreich-Ungarn aber immer wieder auf deutsche Hilfe angewiesen war, und zwar in militärischer Hinsicht ebenso wie auf politischem und wirtschaftlichem Gebiet und vor allem auf dem Ernährungssektor, wäre eine Beendigung der deutschen Suprematie nur bei Inkaufnahme eines Bündnisbruchs möglich gewesen. Dazu konnte sich Kaiser Karl nicht entschließen. Große militärische Erfolge und das Ausscheiden Russlands aus dem Krieg schienen noch dazu 1917 einen deutschen und damit auch österreichisch-ungarischen Siegfrieden in greifbare Nähe zur rücken.
Die Völker der Habsburgermonarchie haben auf den Krieg sehr unterschiedlich reagiert. Auch wenn die Kriegsbegeisterung differierte und am stärksten in den deutschen Gebieten der Habsburgermonarchie sowie in Ungarn war, konnte 1914 eine merkliche Geschlossenheit beobachtet werden. Sie begann aber schon im Herbst 1914 zu schwinden, vor allem in den tschechischen und ruthenischen Teilen der Monarchie. Repressionsmaßnahmen, die Aufhebung von Bürgerrechten, Evakuierungen und Internierungen sollten dem begegnen. Die Zahl der Hinrichtungen in den frontnahen Bereichen ging in die Tausende. Die vom k.u.k. Armeeoberkommando geforderte Verhängung des Kriegsrechts über Böhmen unterblieb jedoch. Nichtsdestoweniger zeigte sich die partielle Ablehnung des Kriegs in einem zunehmenden Identitätsschwund und einer vermehrten Desertionsbewegung, vor allem im Winter und Frühjahr 1915. Die Massendesertionen, die als ein primär österreichisch-ungarisches Phänomen zu sehen waren, fanden jedoch ausschließlich am russischen und zeitweilig auch am serbischen Kriegsschauplatz statt. Die Zahl der österreichisch-ungarischen Kriegsgefangenen vornehmlich in Russland erreichte bis Ende 1917 die Zahl von rund zwei Millionen. Gegen Italien war jedoch im Verhalten der Soldaten aller Reichsteile kein Unterschied zu bemerken. Das sollte sich erst 1918 ändern. Bis dahin hatte die k.u.k. Armee mehr als acht Millionen Männer eingezogen. Auch mehr als 30.000 Frauen waren Teil von Österreich-Ungarns gesamter bewaffneter Macht.
Nach dem von Kaiser Karl gewollten Wiederzusammentritt des Reichsrats in Österreich Ende Mai 1917 verlagerten sich die Absage an den Krieg und der Widerstand gegen das enge Bündnis mit Deutschland in das Abgeordnetenhaus. Hier zeigten sich bereits 1917 Auflösungserscheinungen, die von Emigrantengruppen gefördert und geschürt wurden. Es wäre aber falsch, für Österreich-Ungarn eine Art Dolchstoßlegende zu erfinden. Front und Hinterland hatten ihre jeweils eigenen Entwicklungen wie Wahrnehmungen und erlebten synchrone Zerfallsprozesse. Trotz des Ende 1917 von österreichisch-ungarischen und deutschen Truppen in Italien errungenen Siegs (12. Isonzoschlacht) war man einem Siegfrieden um nichts näher gekommen. Rund die Hälfte der 1918 noch immer über vier Millionen Soldaten zählenden k.u.k. Armee wurde im Inneren des Reichs gebraucht, um Arbeitskräfte zu stellen, Deserteure aufzuspüren und vor allem Unruhen niederzuhalten. Der Hunger, der im Herbst 1916 ausgebrochen war, konnte trotz der Lebensmittellieferungen aus der Ukraine und Rumänien nicht mehr eingedämmt werden. Die Alliierten, zu denen sich nach der amerikanischen Kriegserklärung an Österreich-Ungarn am 7. Dezember 1917 auch die USA gesellt hatten, erklärten immer öfter die Auflösung Österreich-Ungarns zu einem wesentlichen Kriegsziel. Militärisch ließ sich dem nicht mehr begegnen. Die letzte österreichisch-ungarische Offensive an der italienischen Front im Juni 1918 scheiterte schon nach zwei Tagen. Von da an begann die Auflösung des Reichs. Österreich-Ungarn hatte seine Wehrfähigkeit eingebüßt. Es gab keine gemeinsame Perspektive mehr. Die Identität des Gesamtreichs wurde fragmentiert. Kaiser Karl trug dem mit seinem „Völkermanifest“ vom 16. Oktober 1918 Rechnung, in dem er den Völkern seines Reichs den Weg freigab. Die am 24. Oktober 1918 einsetzende Offensive der Alliierten in Italien traf auf keinen intakten militärischen Organismus mehr, und der in der Villa Giusti bei Padua am 3. November abgeschlossene Waffenstillstand gab dem in beredter Weise Ausdruck, da die k.u.k. Armee die Kampfhandlungen einstellte, noch ehe der Waffenstillstand gültig geworden war. Mittlerweile hatten bereits die Nachfolgestaaten der Habsburgermonarchie, Sieger und Besiegte, ihre Unabhängigkeit erklärt.
Dr. Manfried Rauchensteiner, geb. 1942, ist Professor für österreichische Geschichte an der Universität Wien und war von 1992 bis 2005 Direktor des Heeresgeschichtlichen Museums in Wien.
Literatur: Der Erste Weltkrieg und das Ende der Habsburgermonarchie (Wien-Köln-Weimar 2013), 1.222 Seiten