Drei Tage im Mai reichen aus, um jedermann verständlich zu machen, dass Deutschland unter Führung der CDU ein echtes Einwanderungsland ist. Und das unser Land gut damit lebt.
Am 23. Mai 2014 haben wir den 65. Jahrestag der Verkündigung des Grundgesetzes gefeiert. Die Festrede im Deutschen Bundestag hielt der im nordrhein-westfälischen Siegen geborene Schriftsteller Navid Kermani, dessen Eltern 1953 aus dem Iran nach Deutschland gekommen waren. Am Tag zuvor händigte Bundespräsident Joachim Gauck 23 Frauen und Männern die Einbürgerungsurkunden aus. Erstmals hatte Bundespräsident Christian Wulff eine Einbürgerungsfeier am Sitz des Staatsoberhauptes durchgeführt.
Und schließlich: Am 24. Mai, einen Tag nach der Feier des Grundgesetzes, gingen in Köln rund 50.000 Demonstranten gegen den Besuch des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan auf die Straße, der – ebenfalls in Köln – von 18.000 Anhängern euphorisch gefeiert wurde. Anhänger wie Gegner machten von ihren verfassungsrechtlich garantierten Grundrechten Gebrauch: dem Recht auf freie Meinungsäußerung, dem Recht auf Versammlungsfreiheit usw. Diese Grundrechte sind es übrigens, die Deutschland für viele Menschen hoch attraktiv machen.
Die Ereignisse dieser drei Tage zeigen, das Deutschland in Sachen Integrationspolitik kräftig in Bewegung gekommen ist. Nordrhein-Westfalen ist dabei ein ganz zentraler Ort für das Gelingen der Integration. 4,2 Millionen Menschen in Nordrhein-Westfalen haben eine Zuwanderungsgeschichte. Das sind 23,5 % der Bevölkerung. Bei den 3- bis unter 6-jährigen Kindern in Nordrhein-Westfalen weisen über 40 % eine Zuwanderungsgeschichte auf, in Städten wie Köln sind es sogar bis zu 50 %.
Diese Menschen suchen ihr Glück in Nordrhein-Westfalen und in der Bundesrepublik insgesamt. Zugleich sind sie ein Glücksfall für unser Land, weil sie ein enormes Potenzial an Kreativität, Begabung, Leistungsbereitschaft und Aufstiegswillen darstellen. Unternehmerinnen und Unternehmen machen derzeit besonders nachdrücklich darauf aufmerksam.
Die Wirtschaft in Deutschland erholt sich weiter von der schweren Krise, die Europa ergriffen hatte, und auch der Arbeitsmarkt sendet positive Signale. Mehr als 42 Millionen Menschen waren im März 2014 in Deutschland erwerbstätig. Immer mehr Unternehmen wollen in den kommenden Monaten neue Mitarbeiter einstellen. Zugleich berichten schon heute viele Unternehmen, dass sie einen Teil ihrer offenen Stellen nicht besetzen können. Es treten erste Engpässe bei Ingenieuren, Naturwissenschaftlern, Informatikern und Technikern auf. Im sogenannten MINT-Bereich fehlten nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln) selbst im Krisenjahr 2009 im Durchschnitt 63.000 Fachkräfte. Unverkennbar sind Fachkräfteengpässe zudem vor allem im Pflegebereich, wo Mitte 2010 bereits 20.000 Fachkräfte fehlten, sowie bei einzelnen Facharbeiterberufen insbesondere in der Metall- und Elektroindustrie.
Durch den demografischen Wandel wird sich das Fachkräfteproblem in Zukunft deutlich verschärfen. Die steigende Lebenserwartung der Bevölkerung und die niedrige Geburtenrate führen dazu, dass die Bevölkerung in Deutschland deutlich schrumpfen und das durchschnittliche Alter der Bevölkerung steigen wird. Zudem sinkt die Zahl der Personen im Alter von 20 bis 65 Jahren in den nächsten zwanzig Jahren von heute ca. 50 Millionen um fast ein Fünftel. Fachkräfteengpässe werden dadurch künftig verstärkt auftreten.
In unserer älterwerdenden Gesellschaft müssen wir die Potenziale der Menschen im Lande besser nutzen. Ältere Arbeitnehmer mit ihrer Erfahrung brauchen neue Chancen, die Frauenerwerbsquote ist immer noch niedriger als in vielen EU-Ländern und unsere Schulen verlassen noch zu viele Jugendliche ohne Abschluss. Im Inland sind besonders Gewerkschaften und Arbeitgeber gefordert, durch Weiterbildung und Qualifizierung lebenslang Potenziale zu fördern.
Gerade junge Menschen mit Zuwanderungsgeschichte haben oftmals noch nicht die gleichen Chancen auf Bildung wie ihre Mitschüler ohne Zuwanderungsgeschichte. Zugewanderte Frauen sind in deutlich geringerem Maße am Erwerbsleben beteiligt als Frauen ohne Zuwanderungsgeschichte. Und noch immer haben zu viele Zugewanderte keinen beruflichen Abschluss.
Eine Integrationspolitik, die die Handschrift der CDU trägt, eröffnet daher Chancen auf Bildung und Teilhabe für alle. Sie sorgt dafür, dass Deutschland zur Aufsteigerrepublik wird. Dabei setzen wir auf den Besuch von Kindertageseinrichtungen, die eine individuelle Sprachförderung anbieten, auf Schulen, die begabungsgerecht und individuell fördern, auf die duale Berufsausbildung und auf Universitäten, die Exzellenz ermöglichen. Gerade in Nordrhein-Westfalen müssen wir eine solche Bildungskette, die Leistung fördert und Chancen eröffnet, gegen die gleichmacherischen Irrtümer der rot-grünen Landesregierung verteidigen.
Um Entfaltung und Teilhabe der Menschen mit Zuwanderungsgeschichte weiter zu ermöglichen, brauchen wir eine leichtere Anerkennung von im Ausland abgeschlossenen Berufs- und Hochschulausbildungen. Dieses Potenzial liegt aber noch zu oft brach, während unserem Arbeitsmarkt zunehmend qualifizierte Fachkräfte fehlen. Ein wichtiger Schritt, um hier gegenzusteuern, sind die Anerkennungsgesetze des Bundes und der Länder für im Ausland erworbene berufliche Qualifikationen.
Anerkennung macht aber nur dann Sinn, wenn die Gesellschaft und Staat sich stärker als bisher interkulturell öffnen. In allen Lebensbereichen, im Bereich des ehrenamtlichen Engagements und der Kultur, im Sport und im Gesundheits- und Pflegebereich in Unternehmen, Medien sowie in Politik und Verwaltung profitiert unsere Gesellschaft von der Vielfalt an Begabungen, Prägungen und Kulturen.
Mit Anstrengung im Inland allein lassen sich die demografischen Veränderungen nicht aufhalten. Dass zur Erarbeitung des Bruttoinlandsprodukts in absehbarer Zeit rund fünf Millionen Menschen fehlen werden, ist keine Prognose, sondern statistische Realität.
Der Blick in die Zukunft ist es also, der uns heute sorgen muss. Deutschland muss deshalb seine kollektive Körpersprache ändern. Navid Kermani hat es im Deutschen Bundestag so gesagt: Deutschland solle „aus wohlverstandenem Eigeninteresse anderen Menschen eine faire Chance geben, sich um die Einwanderung legal zu bewerben“. Eine solche Steuerung von Zuwanderung wäre eine ganz neue Haltung zur Zuwanderung.
Die Zeit für eine solche Willkommens- und Anerkennungskultur ist reif. Dazu benötigen wir auch eine neue Kultur des Anwerbens, in der jede deutsche Auslandsvertretung, jede Visaabteilung, jede Auslandshandelskammer, jedes Goethe-Institut, jede Ausländerbehörde es als wichtigste Aufgabe ansieht, den klügsten Köpfen der Welt den Weg nach Deutschland zu ebnen. Hierzu sollte ein an Qualifikationen, Berufserfahrungen und Sprachkenntnissen anknüpfendes kriterienorientiertes Zuwanderungsverfahren eingeführt werden.
Moderne Standortpolitik heißt auch, weltweit um die klügsten Köpfe werben. Wer qualifizierte Zuwanderung verweigert, schwächt angesichts unserer älterwerdenden Gesellschaft den Standort Deutschland. Derzeit sind die Chancen dafür besonders gut, weil mit Ausnahme der USA in kein Land der Welt so viele Menschen einwandern wie nach Deutschland. Nutzen wir sie!